Samstag, 4. August 2018

Föllakzoid und der Neo-Krautrock.


Neo-Krautrock ist ein schwieriges Thema. Nicht nur der Feuilleton tut sich damit schwer, sondern auch die Musiker selbst: "Die schwierigste Sache der Welt" nannte das zum Beispiel die Schweizer Band Klaus Johann Grobe bei einem Interview anlässlich des Erscheinens ihres zweiten Werks "Spagat der Liebe" 2016 in der taz. ¹

Schwierig ist das deswegen, weil die ursprüngliche Stilrichtung, auf die sich der Neo-Krautrock bezieht, nie wirklich eine war. "Krautrock" war eine eher abfällig gemeinte Bezeichnung, die sich die britische Presse in den frühen 1970er-jahren ausdachte, weil man diversen Bands aus Deutschland wie Can, Faust und Amon Düül II recht ratlos gegenüberstand.

FAUST während der "So Far"-Aufnahmen (1972)
Was diese jungen "Krauts" damals der staunenden Rockwelt präsentierten, war eine einzigartige Melange aus der Beeinflussung durch Rock'n Roll (den die US-Soldaten während der Besatzungszeit ebenso wie Coca Cola und Kaugummi mit nach Deutschland gebracht hatten) und der naiven Hippie-Ästhetik, die in den frühen Kommunen herangewachsen war. Dazu gesellte sich noch ein Quantum zeitgenössische Musik (Stockhausen) und eine ganz eigene Art von Gründlichkeit, die zu der vielgerühmten "Motorik" wurde; sozusagen das Herzstück dieser vielfältigen Bewegung.

So ist der Krautrock stilistisch also nicht festzumachen. Die Lösung des Dilemmas (das vornehmlich Musikjournalisten und Musiknerds beschäftigt) lieferte Dirk Jan Müller von der Band Electric Orange 2014 anlässlich eines Specials in der deutschen Musikzeitschrift Eclipsed: "Krautrock ist keine Musikrichtung, sondern eine Bezeichnung für eine Phase: 1969 bis 1974" ² - so einfach ist das.

Kraftwerk - damals noch eher Krautrocker als Roboter.
Während heutzutage noch eine Handvoll der Musiker von damals im nun bereits biblischen Alter hin und wieder von sich hören lässt (man denkt da mit Schrecken an diverse kurzlebige Reunions und Konzerte von Amon Düül II oder Guru Guru), in Pension gegangen (die originale Kraftwerk-Besetzung abgesehen von Ralf Hütter) oder nahezu ausgestorben ist (Can), kann man sich als jüngere Band auf der Suche nach Inspiration eines äußerst reichhaltigen Fundus bedienen: Pioniere der elektronischen Musik wie Tangerine Dream, Klaus Schulze oder Kraftwerk laden ebenso zur näheren Beschäftigung ein wie die Musiker und Bands, die eher der Avantgarde zugeneigt waren, Conrad Schnitzler oder Faust kommen da in den Sinn.


Am prägendsten für die heutige (niveauvolle) Popmusik war und ist aber meiner Meinung nach das deutsche Duo Neu!, dessen Schlagzeuger Klaus Dinger (1946-2008) mit seinem einfachen, aber treibenden Spiel jene bereits erwähnte "Motorik" erschuf, deren Einflüsse seither in jedem Release zu hören sind, der sich auch nur irgendwie auf Krautrock bezieht.


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Die wahren Apologeten dieser speziellen Ästhetik findet man übrigens nicht in Deutschland oder England, sondern in Chile. In Santiago beheimatet, ist die Band FÖLLAKZOID seit ihrem ersten Release im Jahr 2009 ein Garant für eine ziemlich originalgetreue Umsetzung der guten alten Krautrock-Werte. Auf ihren Konzerten und Tonträgern erfreuen sie mit viel Neu!-Motorik, die als Basis für extralange Trance-Explorationen dient. Die von ihnen praktizierte ständige Wiederholung eines eingängigen Riffs (live auch schon mal über die Länge des ganzen Auftritts) ist natürlich eine wunderbare Aufforderung, sich in den schillernden Feedbackschleifen zu verlieren: "Föllakzoid specialize in the pillowy sort of rock music designed to shield you from the world for a while. Huge, looping riffs stretch across deeply repetitive percussion, creating an atmosphere somewhere between trance and stupor." ³


Das alleine würde FÖLLAKZOID allerdings noch nicht als "Neo-Krautrock" qualifizieren. Aber der ganze Space- und Stoner-Rock ist natürlich nicht spurlos an der Band vorübergezogen und so enstehen aus den einfachen Riffs im Laufe der einzelnen Stücke mächtige Klangkathedralen aus der heavy effektierten Gitarre, die dann auch schon an Hawkwind und ähnliche Bands erinnern. Primitiv gehaltene Elektronik kommt ebenfalls zum Einsatz - die Synth-Arpeggios, die das Schlagzeug manchmal polyrhythmisch kontrapunktieren, sorgen für zusätzliche Layer an psychedelischer Glückseligkeit.


Das Wiener Veranstaltungskollektiv dazed & confused bringt FÖLLAKZOID nach Wien, das Konzert der Kultband am 08. August im Wiener fluc sollte kein wahrer Stoner verpassen.



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¹ http://www.taz.de/!5305510/
² https://www.eclipsed.de/aktuelles-heft/der-neue-krautrock
³ https://www.last.fm/de/music/F%C3%B6llakzoid/+wiki

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