Samstag, 21. Juli 2018

Der Blutharsch and the infinite church of the leading hand.

Der sogenannte Occult Rock feiert ja zur Zeit wiedermal ein Comeback und plötzlich klingen unzählige Bands wieder wie in den 1970er-Jahren (und sehen aus, als würden sie ständig satanische Rituale vollführen). Das begrüsst euer Bloghost natürlich, allerdings war es mir ein Bedürfnis, an dieser Stelle mal einen Veteranen des Genres zu porträtieren, der seit vielen Jahren und in verschiedensten Formationen für tatsächlich spannende, rituelle Musik im Krautrock/Stoner-Gewand sorgt - Albin Julius, besser bekannt als Der Blutharsch. Mit seiner Infinite Church of the Leading Hand samt legendären Kollaborationen und Nebenprojekten hat Julius da schon für lange und intensiv erlebte Stoner-Nächte bei mir gesorgt. Höchste Zeit, diesen kultigen Musiker einmal so richtig in das Spotlight dieses Blogs zu stellen - Interview folgt weiter unten.


"Occult Rock": In der Postmoderne bedeutet das hauptsächlich, sich schon einmal dagewesene Symbole anzueignen und in einen neuen Bezugsrahmen zu setzen; so wie die legendären Bands der 1970er-Jahre das ebenfalls schon gemacht haben, in dem sie (damals war das noch etwas unerhört Neues) die gängige Hippie-Ästhetik mit Emblemen alter esoterischer Traditionen des linkshändigen Pfades vermischten. Im historischen Rückblick kann man das als Reaktion auf die damals unfassbar turbulente Zeitenwende deuten - sämtliche Träume der Blumenkinder waren von aussen (Ermordung aller bewunderten politischen Schlüsselfiguren wie Martin Luther King, John F. Kennedy, Malcolm X) sowohl als auch von innen (Altamont, Manson Family) zerstört worden.

Notorisch - Die Manson Family.
Blickt man heute hinter den “okkulten” Aspekt einer Band wie zum Beispiel Lucifer, ist dort nichts zu sehen, nichts zu finden - die Fassade solcher Acts ist eine rein graphische Präsentation. Dasselbe gilt auch für die Musik; ich finde das ja sehr unterhaltsam, allerdings sind die sorgsamst auf “analog” getrimmten und vorhersehbaren Songs sehr schnell wieder aus der Wahrnehmung verschwunden.

DBaticotlh live in der Wiener Arena 2016. Photo von Kurt Prinz
Es gibt aber natürlich auch eine ganz andere Art von okkulter Musik, und zwar in der eigentlichen Bedeutung des lateinischen Wortes occultus: verborgen, verdeckt. Nach dieser Definition ist das für mich Musik, die ihre wahre Bedeutung erst zeigt, wenn man sich aktiv mit ihr auseinandersetzt. Und hier kommt Albin Julius ins Bild. Mit Der Blutharsch and the infinite church of the leading hand und diversen Seitenprojekten releast der österreichische Produzent seit vielen Jahren aufsehenerregende Musik, ohne sonderlich viel Wind darum zu machen. Das Design der einzelnen Releases umfasst natürlich auch (aber nicht nur) okkulte Symbolik; hier wird allerdings kaum der Eindruck erweckt, Der Blutharsch müsste jeden Abend ein satanisches Ritual aufführen, weil sich das für einen okkulten Musiker so gehört.


Und die Musik: Die will wirklich erarbeitet werden, etwas das euer Bloghost liebt und das ihn auch wirklich zum grossen Fan der Infinite Church of the Leading Hand gemacht hat. Da werden riesige, unheimliche Musikblöcke erzeugt und Der Blutharsch kommt mir vor wie ein Bildhauer, der im Rahmen der teils recht ausführlichen Sessions unzählige Soundebenen herausmeißelt.

DBaticotlh live in der Wiener Arena 2016. Photo von Kurt Prinz
Mächtige, erdige Drones, psychedelische Sounds en masse, Polyrhythmik; über all dem thront die eigenwillige Stimme der Sängerin Marthynna - hin und wieder tuckert plötzlich ein alter Drumcomputer los, murmelt irgendein obskures Sample eine Beschwörung, schneidet eine Synthesizerlinie schrill in das allgemeine Brodeln - wie bei einem Unwetter kann man sich als Hörer niemals sicher sein, was einen als nächstes erwartet. Das erinnert natürlich stark an alte Krautrockhelden wie Can oder mehr noch an die großen Franzosen Magma.


Der Blutharsch huldigt allerdings keineswegs ausschließlich alten Werten - er ist auch ein unglaublich präziser Kompaß. Denn ebenfalls, ohne das ständig groß herauszuposaunen, kollaboriert Julius mit richtig spannenden Musikern, Projekten und Bands. Zum Beispiel mit dem belgischen Kollektiv Wolvennest, welches gerade in diversen Genremagazinen gefeatured wird. Oder den ziemlich irren Amerikanern White Hills. Oder dem (wirklich unfassbar superen) französischen Duo Aluk Todolo. Oder mit Derniere Volonte (DV), ebenfalls ziemlich wahnsinnige Franzosen. Wie macht der das bloß? Höchste Zeit, den Mann zum Interview zu bitten.


Lieber Albin, der Legende nach sitzt du in einem Vierkanthof irgendwo in der Einsamkeit des österreichischen Waldes und produzierst in einer Tour psychedelische Musik. Bitte klär mich auf, wie sieht das in der Realität aus?

 Nicht ganz so glamourös. Es handelt sich leider um keinen Vierkanthof, sondern „nur“ um einen alten, ehemaligen, etwas abgelegenen Bauernhof im Wienerwald – zwar abseits vom Geschehen, aber trotzdem nicht allzuweit vom Schuß – 15km zur Wiener Stadtgrenze, was insofern praktisch ist, da es doch abgeschieden genug ist, um tagelang niemanden sehen zu müssen, aber trotzdem das kulturelle Angebot Wiens genießen zu können. Ansonsten stimmt es – ich meine, das „in einer Tour ..“ und so. Als „Legende“ klingt es natürlich glamouröser – aber.. man lebt halt vor sich hin und macht was man machen muss.

Um gleich zu Beginn einmal auf die im Artikel angesprochenen Kollaborationen einzugehen: Wie kommen die zustande? Über das Internet? Oder lernt man sich noch wie in früheren Zeiten bei Konzerten kennen?

Eigentlich bis auf ganz wenige Ausnahmen wie in früheren Zeiten – analog. Wenn man wie ich seit 30 Jahren Musik macht, läuft einem in den Jahren der eine oder andere über den Weg. Also fast überwiegend kannte ich die Kollaborateure bereits persönlich – auch wenn unser Treffen manchmal schon Jahrzehnte (zb. mit Edward Ka-Spel) zurückliegt. Ganz selten – zB im Falle von Rummelsnuff – hab ich ihn einfach mal angeschrieben und gefragt ob er mitmachen möchte bei einem Song – und ich habe irgendwie das Privileg, daß ich Leute fragen kann und eigentlich immer bis jetzt etwas zustande kam. Ich wähle mir die Leute aber sehr bewußt aus. Mit White Hills zb. war es so, daß ich die damals zufällig auf Myspace noch gefunden habe – ich bin ja immer offen neuer Musik gegenüber und habe sie einfach angeschrieben und wollte Platten kaufen. Dave hat mir dann den ganzen Backkatalog als Geschenk geschickt, weil er ein großer Fan ist – und seitdem sind wir befreundet und treffen uns auch recht oft. Sie sind ja oft auf Tour .. =) – aber es ist wirklich ein Privileg, Menschen über die Musik kennenlernen zu dürfen – und ich bin mir dessen sehr bewußt. Ich habe eigentlich alle meine Freunde über die Musik kennengelernt… sogar meine Frau.

Ich habe mich jetzt glaub ich durch so ziemlich alle (neueren) Kollaborationen durchgehört und habe nichts gefunden, das nicht einerseits sehr gut zu deinem Sound passen würde und andererseits auch wieder einen neuen Mosaikstein zur Infinite Church addieren würde. Nach welchen Kriterien entscheidest du, wer für so eine musikalische Kollaboration in Frage kommt?

Eigentlich nur daß ich die Musik wirklich gut finde – das bedeutet auch, daß ich finde diese Band oder diese Leute ziehen ihr eigenes Ding durch und machen etwas „spezielles“, daß mich auch berührt. Und natürlich muß es menschlich passen – also Musik we like form people we love (auch das Motto meines Labels Hau Ruck! – auf dem ich ab und zu Platten von Leuten, die ich mag veröffentliche..=). Und ganz wichtig ist mir auch eine gewisse musikalische „Herausforderung“. Ich arbeite gerne mit unterschiedlichen Stilen – ich bin generell sehr offen was Musik betrifft. Für mich gibt es nur „gute“ und „schlechte“ Musik und das beste daran ist, daß ich allene für mich entscheide was gut und was nicht gut ist. Aber es ist spannend, mit Musikern zusammenzuarbeiten die ihre Vision leben und Ihr eigenes Ding durchziehen, mich aber auch musikalisch irgendwie fordern. Auch hier gilt, dass ich es als ganz großes Privileg betrachte, mit Musikern und Bands zusammenarbeiten zu dürfen, die ich sehr bewundere.

Ich würde mich nun gern auf deine ganz ureigene Vision von “psychedelischer Musik” konzentrieren: “The story about the digging of the hole and the hearing of the sounds from hell” ist der Titel eines deiner Releases. Gab es sowas wie ein “Ur-Erlebnis”, welches dir klarmachte, wie du in Zukunft Musik machen wirst? Oder hat sich dieser ganz spezielle Sound, für den der Blutharsch bei Liebhabern der musikalischen Psychedelik steht, mittels “Learning by Doing” entwickelt?

Zweiteres. Ich mache ja jetzt schon seit über 30 Jahren Musik – und ich hatte und habe eigentlich nie einen wirklichen Plan wie und was ich machen will und werde. Das ist auch nach wie vor so. Es kommt einfach so, wie es kommt. Wichtig ist einfach, „offen“ zu bleiben und sich die Neugierde und den Spaß an der Musik zu behalten. Eh logisch – würd es mir keinen Spaß machen, würde ich auch keine Musik machen. Aber irgendwie bin ich glaube ich ein Getriebener – ich muß einfach Musik machen.
Aber es ist immer so daß ich einfach anfange und nie weiß, was dabei am Ende rauskommt und es überrascht mich selber oft nach über einem Jahr zu sehen, wohin die Reise geht.
Stilistisch ist es auch sehr spannend für mich, selber zu beobachten, wie es sich über die Jahre entwickelt hat, wobei ich – für mich – denke, daß ich immer schon psychedelische Musik gemacht habe – im weiteren Sinn. Ich habe auch schon in meiner Jugend viel psychedelische Musik gehört... Velvet Underground waren und sind für mich immer schon eine große Inspiration und haben auch meine musikalische Entwicklung begleitet – aber wie gesagt – ich war und bin immer offen für neue Musik. Selbst wenn mir manchmal Bands nicht wirklich gefallen, muß ich doch anerkennen, daß sie das was sie machen wirklich gut und eigenständig machen. Zumindest einige davon.

Interessant finde ich auch, das du im Gegensatz zu deiner extrovertierten Persönlichkeit im “Real Life” in deiner Musik eher bewusst zurückzutreten scheinst, um dem Gesamtsound zu dienen. Siehst du dich da eher als Regisseur, als Planer?

Extrovertiert? Naja.. ich glaube es wird langsam besser mit mir – man spürt wahrscheinlich eine gewisse Altersmilde? :=) Aber – auch wenn das jetzt irgendwie esoterisch klingen könnte – für mich ist Musik heilig. Und ich finde man sollte immer hinter die Musik treten und – ganz wichtig – sich selber nicht wichtig nehmen. Es ist ein Geschenk, Musik machen zu dürfen – und irgendwie empfinde ich es eher so, daß die Musik mich auserwählt hat als irgendwie andersrum. Aber es ist sicher auch eine Frage des Alters – man erkennt was wirklich wichtig ist im Leben – nämlich die kleinen Dinge – und man lernt auch – hoffentlich – zu erkennen, wie unwichtig man selber ist.

Aber – ja..... ich sage jetzt auch immer – und das meine ich so – ich habe jetzt nach 20 Jahren genau die Band, die ich immer haben wollte, mit wirklich guten Freunden und was für mich zählt ist, mit ihnen gemeinsam zu spielen. Mehr ist es nicht – naja, und Spaß und ‘ne gute Zeit zu haben. Da fällt es mir sehr leicht, mich etwas in den Hintergrund zu stellen.

Viele der Aufnahmen der “Infinite Church” wirken wie Ausschnitte von Jam Sessions von denen man glaubt, sie hätten schon lange vor dem endgültigen Cut auf dem Release begonnen und würden danach noch weitergehen - so wie man das z.b. von den wilden 1970er-Bands eines Miles Davis kennt. Der hat ja zusammen mit dem Produzenten Teo Macero nach langwierigen Jams erst “Songs” mittels unendlich vieler Bandschnitte erstellt. Wie läuft dieser Prozess bis zum fertigen Track bei dir ab?

Eigentlich immer gleich… ich/wir spielen mal ein wenig rum im Studio – es kann sich um einen Beat, um eine Melodie, ein Riff oder eine Textzeile handeln – die kommt am Anfang und darum herum wird dann einfach der Rest dazugebastelt oder gespielt. Eigentlich ist es wie wenn man ein Brot streicht… erst ist da das Brot, dann kommt die Butter, dann die Marmelade oder der Käse und dann noch die Garnitur... und voila... schon hat man einen Song.
Das praktische bei uns ist, daß wir ein eigenes kleines Studio (temple 451) haben und daher auch jederzeit wann wir wollen oder wenn es uns freut, aufnehmen können. Dadurch ist auch die Herangehensweise eine komplett andere. Aufnehmen ist bei uns immer ein Ritual – das beginnt mit einem Schluck Prosecco, dann ein gemeinsames Essen – und wenn wir in Stimmung sind, gehen wir aufnehmen. Das Aufnehmen selber ähnelt tatsächlich meistens einer Jamsession, da ich oft dann „Gerüste“ habe und die Jungs und das Mädel dann dazu oft einfach etwas machen (sie haben meistens die Sachen vorher gar nicht gehört – oder selten) – und in der Tat ist es in gefühlten 90% der Fälle so, daß wir dann den ersten Take nehmen können. Ich bin ein Fan des first take, weil dieser meistens der beste und authentischste ist – auch wenn er vielleicht nicht der perfekteste ist. Aber er ist der ehrlichste und oft auch rauheste. Was weiß ich... ? =)

Sehr spannend finde ich auch das graphische Design deiner Releases - für mich die perfekte Mischung aus psychedelischen und “okkulten” Symbolen. Machst du das alles selbst? Gibt es da irgendwelche Vorbilder, die dich inspiriert haben?

Ja.. die Artworks mache ich eigentlich immer selber. Meistens war es bis jetzt so, daß ich – ich photographiere auch sehr gerne – ein Motiv gesehen habe und schon wußte, daß es das nächste Cover wird. Es hat sich bis jetzt immer mehr oder weniger „angeboten“, was irgendwie auch sehr „gschmeidig“ ist. Seit einiger Zeit arbeite ich auch mit einem befreundetem Graphiker zusammen – der ein Cover nach meinen Vorgaben illustriert hat (Joyride) und mir jetzt auch mit dem Layout hilft – bzw auch mal so was macht – die Desire zb. war komplett sein Input. Er hat auch das neue Logo für FM4 gemacht – und macht viel für andere Bands und ab und zu Plakate für die Arena. Go and check him...ein junges talentiertes Kerlchen – nennt sich selber Irrwisch.

Bewundernswert finde ich auch, daß dein “Imperium” wenn ich es so nennen darf, in alle Richtungen funktioniert - sprich, es gibt limitierte physische Releases, jede Menge Merchandise, aber auch alles auf Bandcamp und einen Youtube-Kanal. Du scheinst also keine Berührungsängste mit der neueren Art von Musikvermarktung zu haben. Wie sieht da die Zukunft aus? Wird es immer auch physische Releases geben?

Ich habe lange damit gehadert…gerade mit Youtube und dem Internet – und habe mir sehr sehr spät selber einen Computer gekauft. Aber... irgendwie bin ich mitlerweile auf dem Standpunkt, daß es doch gut ist, wenn Leute die Möglichkeit haben, Musik zu entdecken und das Internet ist halt nun mal ein guter „Channel“. Oder auch nicht. Im Grunde ist es mir auch egal. Ich mache Musik für mich und des „Musikmachens“ wegen...und es freut mich wenn es Leute gibt, denen es gefällt, was ich mache. Aber ich würde genau so Musik machen, falls es niemand gut fände außer mir selbst. Und es ist mit ehrlich gesagt lieber, es gibt da draussen 50 Leute, die lieben, was wir machen als 500.000 die uns kennen. Some Musik is for few and some is for many. Ich denke da sehr, sehr „Underground“. Wir wollen gar nicht Teil des Mainstreams sein… weder musikalisch noch privat. Fuck it! Ruhm ist tolal überbewertet irgendwie.

Ich denke aber – bzw hoffe – daß wir immer in der Lage sein werden, physikalische Releases zu machen – auch weil mir die Arbeit und die anderen Aspekte (Cover, Layout etc) daran Spaß machen. Ich bastle auch gern mal selber ne kleine Auflage. Wenn ich daran denke… die eine CD, die ich herausgebracht habe (damals noch mit TMLHBAC) – da habe ich alle 2000 Covers der Erstauflage selber zusammengeklebt…in einem Schwung, ohne Pause. Sowas macht einfach Spaß bzw. hat damals Spaß gemacht... ob ich es heute nochmal machen würde?

Ein Wort noch zu deinen aktuellen Werken: Alleine dieses Jahr sind ja schon zwei fantastische Kollaborationen erschienen, “Desire” zusammen mit White Hills und eine andere mit Derniere Volonte - ich bin mir aber sicher, da kommt heuer noch was? Und da gibts ja noch dein anderes Projekt, Jastreb - wirds da in näherer Zukunft auch was neues geben?

Ja. Finally! Die Desire als auch die DV waren schon seit einigen Monaten fertig, nur hat es mit dem Release etwas gedauert. Aber... jeder Zeit ihre Musik. Jastreb ist eigentlich die Band von Niko (Seven that Spells) – bei der ich „lediglich“ die Synhtesizer/Keyboards spiele. Aber ja, im Moment arbeitet Niko gerade an der Musik und ich denke, daß ich bald daran gehen kann, die Keys dazu aufzunehmen. Im Moment arbeiten wir aber an unserem neuen Album – haben gerade angefangen, es zu mischen und danach wird TT (von Abigor) wieder das Mastering übernehmen – auch ein Privileg btw...=) und in ein paar Tagen fahren wir auf den Balkan, um das Coverphoto zu schießen.

Zusätzlich – parallel – arbeiten wir auch wieder an eine richtigen Kollaboration – diesmal mit einer außergewöhnlichen frazösischen Band (Mhönos) – die wir kennenlernen durften, als sie und auf der letzen Tour auf einem Konzert supported haben. Sehr spannende Musik.

Abschließend noch die Frage, ob es 2018 noch eine Möglichkeit geben wird, dich live zu sehen? Ich kann mir vorstellen, das in der heutigen Zeit, in der kaum ein Veranstalter mehr Geld investieren kann oder will, das Reisen mit grosser Band und viel Equipment recht beschwerlich bis unrealisierbar geworden ist…

Dieses Jahr wahrscheinlich nicht mehr. Wir haben gerade zwei Festivals (Abtenau – House of the Holy – das BESTE Festival überhaupt!!) und ein weiteres in einem Schloß bei Brno gespielt. Das wars wahrscheinlich für dieses Jahr. Wir haben so den Rhythmus pro Jahr, zwei Festivals und eine Mini-Tour zu spielen und alle 2 Jahre mal ‘ne größere Tour anzugehen. Die nächste ist gerade in Vorbereitung für April 2019 – und wir haben so um die 10 Gigs angepeilt. Touren ist diese Tage wahrlich etwas „beschwerlicher“ – einfach weil es so viele Bands gibt, die „on the road“ sind und es einfach nicht so viele gute Venues bzw Veranstalter gibt – aber bis jetzt hat es immer gut funktioniert… wir haben auch eine gute Roadcrew und da wir nicht ständig irgendwo auf Tour sind. haben wir sozusagen einen Expertenbonus und können uns auch die Rosinen rauspicken.

Ich danke dir vielmals für das Interview!

Danke Dir für das Interesse und den Support! Misbehave and nJoy!

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Links:

Offizielle Homepage.
Hau Ruck! - Homepage.
Bandcamp.
Youtube.

Anspieltipps:

01. The Wolvennest Sessions: Wenn man wissen will, wie zeitgemäßer Occult Rock denn so klingen sollte. Wilde Musik mit der Kraft einer Dampfwalze.


02. Die schönste Kollaboration findet man auf "Sous l'Arbre de Science" - der Vertonung eines Rituals des österreichischen Aktionisten und Satanisten Josef Dvorak. Der Blutharsch trifft hier auf die legendären Fuckhead; mehr rituelles Aufeinanderprallen gibt es nirgends.


03. Mein persönliches Lieblingswerk ist "A Collaboration" der Infinite Church mit den französischen Krautrockern Aluk Todolo. Wer auf Magma und ähnlich abgedrehten Space-Wahnsinn steht, muß das hier haben.


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Dienstag, 17. Juli 2018

The Sky is full of Waves: Interview mit Cadaverous Condition.


Cadaverous Condition gehören zusammen mit Pungent Stench, Disastrous Murmur und dem Disharmonic Orchestra zum “Kulterbe des österreichischen Death Metal”. Speziell Cadaverous Condition waren zwar seit den 1990er-Jahren für mich immer irgendwie präsent - da sie aber aus bewußter Entscheidung immer im Underground verblieben sind, habe ich deren Aktivitäten der letzten Jahre dann auch nicht mehr so wirklich mitbekommen.

Zum Glück hat sich das kürzlich radikal geändert, denn die gewollte Unabhängigkeit von irgendwelchen Marketingentscheidungen hat die Band anscheinend letztendlich auf Wege geführt, die einfach unglaublich sind. Und über das jüngst daraus entstandene Ergebnis, der Kollaboration “The Breath of a Bird” zusammen mit Herr Lounge Corps (Miro Snejdr von Death in June) muß hier unbedingt ausführlich berichtet werden - unter Mithilfe des CC-Sängers Wolfgang Weiss (Interview im Anschluss).


Denn was mir da kürzlich mit diesem Werk (erschienen auf dem renommierten Wiener Label Klanggalerie) in die Hände gefallen ist, das ist mir gleich darauf auch direkt ins Herz gegangen, hat sich seinen Weg in meine Vorstellungswelt gebahnt, und wird dort auch noch sehr, sehr lange verweilen.

Hin und wieder passiert das: da erscheint dieses eine Werk, dieser eine, einzigartige Release, der den Musikjournalisten in all seiner zynischen Überheblichkeit in die Weichteile trifft und den MUSIKFAN in ihm herausfordert - manche Werke besitzen so eine urtümliche Kraft.


The Breath of a Bird” ist ein ebensolches Werk. Alleine die Musik ist schon mehr als ungewöhnlich: Klassizistisch oder (besser noch) spätromantisch gefärbte Kompositionen, mit einem akustischen Klavier als Lead-Instrument, dessen perlende Läufe mit kleinen, impressionistischen Farbtupfern versehen sind - obwohl, diese Farbe ist auf jeden Fall allerdunkelstes Schwarz. Hin und wieder auch Gitarrenklänge, bewußt so fest gezupft, dass man eher an eine Laute denken mag; und hin und wieder dann auch eine brutale, laute, orchestrale Explosion, die sich im Moment ihrer grössten Intensität allerdings schon wieder in ihre verhallten Spiegelräume zurückzieht.

Es ist wahre Programmmusik im allerschönsten Sinn, eine tiefe Verneigung vor abendländischer Musiktradition im Stil von Mahler, Strauss, oder Mussorgski. Als Überschrift zum jeweiligen Track dient eine Zeile aus den Lyrics, die Wolfgang Weiss mit den von ihm gewohntenn Death Metal-Growls vorträgt.


Das ist insofern wiederum sehr ungewöhnlich, da diese ganz spezielle Art von Gesang oder Shouting normalerweise zwingend einen mit verzerrten Gitarrenspuren angefüllten Background verlangt, um ihre Wirkung voll entfalten zu können - zumindest glaubte ich das bisher, Weiss hat mich da eines Besseren belehrt. Der CC-Shouter benutzt die Technik zwar, füllt diese jedoch mit unglaublichen Nuancen, durch ein plötzlich geflüstertes Wort, einen Hauch von Gesang in der hinausgebrüllten Stimme. Das ist gänsehaut-erzeugendes, ganz grosses Gefühls-Kino und besteht auch im (fast) leeren Raum.

Auch der intellektuelle Genuss kommt nicht zu kurz, im Gegenteil. Da kommen einem Textzeilen unter wie “I reckon you agree / In this room there are more people than you can see” oder “We took a last quick look at the world as we had known it / And as it still seemed to be / And then it all came crashing down around us”. Selbst eine kurze Beschreibung wie “The Sky is full of Waves” entfaltet ihren tieferen Sinn mit der entsprechenden musikalischen Begleitung; ich gestehe offen und ehrlich, schon lange nicht mehr so mitgenommen worden zu sein von Songlyrics wie bei diesem wahrlich grandiosen Werk.


Ich habe Wolfgang Weiss gebeten, mir ein paar erklärende Sätze zu “The Breath of a Bird” zu schicken; hier das mit ihm geführte Interview.

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Herzlichen Dank erstmal, dass du dir die Zeit nimmst, meine Fragen zu beantworten. Wie weiter oben schon beschrieben, “The Breath of a Bird” ist meiner bescheidenen Meinung nach nichts weniger als ein absolutes Meisterwerk geworden; sowohl musikalisch und vor allem auch textlich kenne ich nichts vergleichbares. Kannst du für uns ein wenig den Entstehungprozess erläutern?

Danke fürs Interesse. Soweit ich mich erinnere, hat es damit angefangen, dass Miro und ich einfach mal was gemeinsam machen wollten, also dass er auf einem CC Song spielt oder ich bei einem geplanten Album von ihm mitmache. Daraus ergab sich dann der Song „The Gardens And Graves“ wo ich Text und Gesang zu seiner Musik beigesteuert habe, das Lied haben wir dann als spezielle 7“ Single veröffentlicht und da uns allen der Song gut gefallen hat, haben Miro, René (CC Gitarrist) und ich uns daran gemacht ein komplettes Album aufzunehmen und Songs zu schreiben. Es hat zwar sehr lange gedauert und war mitunter auch ein regelrechter Kraftakt, aber letztendlich sind wir mit dem Ergebnis sehr zufrieden, vor allem auch weil es so „anders“ geworden ist.

„Burn Brightly Alone“ (Cadaverous Condition Album von 2011) und jetzt “The Breath Of A Bird” sind zwei Alben mit denen ich wirklich zufrieden bin. Ich sehe diese als bleibende Ausrufezeichen einer doch recht langen und verschlungenen Karriere.


Ich weiß noch aus früheren Interviews (Anm. Im Rahmen der Sendung House of Pain/FM4, geführt vor vielen Jahren), dass diese oft beschworene “Freiheit der Kunst”, also die Freiheit, sich vollkommen unberührt von kommerziellen Erwägungen zu entwickeln, nicht nur Masche war bei euch, sondern tatsächlich sehr ernstgemeint. Hat dich das auf diesen speziellen Weg geführt, den du nun seit einigen Jahren beschreitest?

Naja, große kommerzielle Erwägungen sind bei unserer wirklich extremen Nischenmusik ja nicht wirklich sinnvoll oder realitätsnah. Selbst unsere Death Metal Alben sind wohl zu verschroben um den dortigen „Mainstream“ zu bedienen, der wiederum auch nur eine Nische ist. Dazu kommt noch unser unstetes Veröffentlichungsverhalten, nie bei einem wirklich patenten Metal-Label veröffentlicht zu haben (weil halt nicht kommerziell genug) und auch live waren wir kaum präsent, dazu hätte uns aufgrund persönlicher Dinge und Lebensläufe auch der letzte Biss und Antrieb gefehlt. Ich hätte nichts dagegen, wenn die Band bekannter wäre und mehr Alben verkaufen würde. Dass wir musikalisch allerdings ausschließlich nur das machen, was wir wollen und da niemand reinredet und reinreden soll/darf, war von Anfang an klar. Das hat allerdings ggf auch zu einigen nicht so guten Entscheidungen in unserer Karriere geführt.

Generell muss ich anmerken, dass selber Musik zu „machen“ mir viel weniger Spaß bringt, als Musik von anderen Menschen zu hören. Die eigene Musik war für mich immer mehr Schrei der Verzweiflung als Spaß an der Sache. Ganz offensichtlich ein Ventil um Aufmerksamkeit zu erregen und irgendwas aus dem Innersten heraufzubeschwören, herauszulassen und spazieren zu führen. Die Dämonen auszulüften. Also im Prinzip: „Ich spiele in einer Band um Mädchen zu beeindrucken“.

Wenn man zufrieden und eins mit der Welt ist, macht man keine solche Musik. Musik kann einerseits Leben retten aber andererseits manche Leben auch noch mehr verbiegen.


Wie hast du eigentlich diesen ganz aussergewöhnlichen Stil deiner Lyrics entwickelt? Gibt es dafür literarische Vorbilder? Und war für dich von vorneherein klar, dass du stimmlich beim “Growl” bleiben wirst?

Dass der Gesang im Death Metal Stil bleibt war vollkommen klar, das sind die typischen Cadaverous Condition Vocals. Anders geht das auch nicht und dadurch bekommt auch vermeintlich „schöne“ Musik nochmal einen eigenen Dreh, was absolut gewollt ist. Die Texte haben keinen bewussten Stil, das ist halt das, was raus muss.

“In this room there are more people than you can see” ist übrigens ein Satz, der bei mir immer wieder extreme Gänsehaut erzeugt - ein Satz, der mehr erzählt als ganze Bücher oder Filme. Was für Menschen sind das? Geister? Reisende aus anderen Dimensionen?

Das soll dem Hörer überlassen bleiben. Auch der Raum kann einfach nur der eigene Verstand bzw. die eigene Gedankenwelt sein. Wenn man sich darin aufhält, ist man oft nicht allein. Und nichts ist vorhersehbar. Geister trifft es also recht gut, denke ich. Und Geister/Personen/Erinnerungen, die versteckt sind, führen oft nichts Gutes im Schilde.


Auch “Just this one time let’s look outside the other window / A roof full of stars / The sky below / My weekly visit to the gates of heaven” ist mir ziemlich an die Nieren gegangen. Das beschreibt schon eine recht visionäre (psychedelische) Grenzerfahrung. “The Sky is full of Waves” wiederum ist so ein Satz, der zusammen mit den extrem darauf reagierenden Elektroniksounds von Miro Snejdr einen extrem mystischen Bedeutungsspielraum öffnet. Hast du eigentlich während des Schaffensprozesses irgendwelche “mystischen” Erfahrungen gemacht?

Viele Erfahrungen, aber keine mystischen, nur Realität und die Beschäftigung mit sich selbst und die Probleme damit umzugehen, was wieder neue Probleme auslöst.

Ich weiß, das Liveauftritte für dich eigentlich kein Thema mehr sind. Dabei gehörte in einer besseren Welt gerade so bewegende Musik unbedingt in einen entpsrechend würdigen Rahmen, zb. einen Konzertsaal. Habt ihr jemals an eine Live-Präsentation gedacht?

Nicht wirklich, es würde in der aktuellen Besetzung nicht funktionieren, ich sehe da auch kein großes Interesse seitens irgendwelcher Veranstalter. Es wäre zwar schön mit dem Material aufzutreten, aber ich glaube wir werden es nicht machen.

Ich danke dir herzlichst, das du dir die Zeit für diesen kleinen Austausch genommen hast. Und ich schliesse in der Hoffnung, das “Breath of a Bird” nicht die letzte Kollaboration mit Herrn Lounge Corps gewesen ist?

Danke für die netten Worte. In der Tat ist es sehr wahrscheinlich, dass diese Musik die letzte ist, die Du von mir und CC hören wirst.



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Photo von www.cadaverouscondition.com

"The Breath of a Bird" kann man hier beim Label Klanggalerie bestellen (Preis 17,- incl. worldwide shipping) oder auf Bandcamp kaufen:

Sonntag, 15. Juli 2018

In den Katakomben des Doom

Im Sommer, bei richtig heißen Temperaturen verschwinden lichtscheue Gestalten wie euer Nachtmahr Dr. Nachtstrom gerne im Untergrund. Da gewandet er seinen voluminösen Luxuskörper in eine verschlissene, schwarze Kutte und steigt, ausgestattet mit einer flackernden Kerze, die schlüpfrigen Stufen hinunter in die lichtlosen, muffigen Gewölbe und Katakomben, in denen die anderen lichtscheuen Gestalten dem ewigen DOOM huldigen.


An dieser mächtigsten Spielart des Heavy Metal kratzt keine der vielen Veränderungen des allgemeinen Musikgschmacks; Trends und Versuche der Vereinnahmung prallen ab wie an härtestem Granit.



Dieser schwarze und in seinen spirituellen Dimensionen unfassbare Musik-Monolith erlaubt die Verehrung und die Kunde seiner subsonischen Botschaft nur innerhalb eng definierter Grenzen. Die ersten vier Black Sabbath-Releases sind zugleich altes und neues Testament; in seiner unfassbaren Gnade erlaubt der dunkle Herr seinen Jüngern aber, sich in verschiedenen Kongregationen zu versammeln und diesen auch schöne Namen zu geben: Traditional Doom, Epic Doom, Stoner Doom, Sludge, Funeral Doom, ja sogar die Untiefen der Ozeane dürfen gepriesen werden mit dem wunderbaren Nautic Doom. ¹



              
                        
Und wenn die Brüder und Schwestern müde sind vom ewigen Verkünden des schwarzen Gospels, ist es ihnen erlaubt, sich zu den ewigen Klanghallen des Drone Doom in ihre Gräber zu legen und in den unruhigen Schlaf der Untoten zu verfallen, bis das Wort wieder von neuem erhallen muß aus den tiefsten Tiefen bis in die Welt der Lebenden hinauf; dann durchstoßen blutige Krallen und Klauen morsche Grabdeckel und wühlen sich durch feuchtes, wurmiges Erdreich nach draussen.



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Aber habt keine Angst, Kinder der Sonne und des Lichts: Wir wollen euch nichts tun, wir suchen und gieren nicht nach frischem Blut. Denn seit der dunkle Herr Ende der 1960er-Jahre beschloss, die ersten Apostel mit SEINEM schwarzen Wort in die Welt zu schicken, ist an Jüngern nie ein Mangel gewesen.

 

Denn der Herr gibt den Seinen: Wer einmal vom schwarzen Wein gekostet hat, vom verdorbenen Brot gegessen, der möchte nur mehr mit Hingabe die Lyra spielen wie Nero vor dem brennenden Rom und voller Inbrunst vom Unglück der Welt und der nutzlosen Menschenkinder in ihr künden - so lange bis die alten Götter aus ihrem Schlaf erwachen und wieder den Platz einnehmen, der auschließlich der ihre war, vor unzähligen Äonen.

 

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¹ https://en.wikipedia.org/wiki/Doom_metal

Anm.: Das entsprechende Mixtape zu diesem Text gibt es am Mittwoch, dem 18.07. ab 22.00 im House of Pain auf Radio FM4 zu hören, die Sendung ist dann 7 Tage lang als Stream auf der Homepage des Senders abrufbar. Nähere Infos zu unseren Sendungen immer hier.

Dienstag, 10. Juli 2018

Satanische Hippies und schwarze Lava.


Gestern beim Konzert der Wolves in the Throne Room ¹ wurde ich von der mir bis dato unbekannten Vorband ordentlich überrascht. Auf der kleinen Bühne der Wiener "Arena" war da eine sechsköpfige Truppe zusammengequetscht und böllerte eine Soundwand nach der anderen auf das Publikum, das es eine das Trommelfell zerfetzende Freude war. Natürlich war ich nach dem Konzert SOFORT auf Bandcamp und habe mir das aktuelle Werk “Void” gekauft.

Der Sound dieser belgischen Formation namens Wolvennest (WLVNNST) lässt in seiner Einzigartigkeit aufhorchen: Hier treffen die wunderbarsten Hippie/Stoner-Ideale auf den reißenden Strom schwarzmetallischer Brachialriffs. Wie könnte man das klassifizieren? Satanische Hippie-Musik? Vielleicht der Soundtrack, zu dem die Manson-Family auf der Spahn-Ranch getanzt hätte. Die brachialen Soundwände von "Void" werden durch den unschuldigen Gesang und das vorzüglich eingesetzte Theremin-Spiel von Sängerin Shazzula (was für ein Name!) ein bisschen aufgelockert, aber das düstere Soundbrett drückt dich trotzdem unerbittlich auf den Boden.


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Bei “Void”, dem aktuellen Werk, präsentiert sich Wolvennest als ausgereifte Band. Zu Beginn war das noch ein “musical partnership project”, welches den Blutharsch - Chefdirigenten Albin Julius und seine Sängerin Marthynna inkludierte; so entstand das Debütwerk WLVNNST, welches NOCH tiefer (falls das überhaupt möglich ist) in die okkulten Untiefen des Neo-Krautrock eindringt. Aus dieser fruchtbaren Partnerschaft heraus entstand unter anderem auch das Werk “The Wolvennest Sessions”, dieses wiederum unter der Ägide des berühmt-berüchtigten Kollektivs Der Blutharsch and The Infinite Church Of The Leading Hand.

Wer Albin Julius und seine ganz spezielle Art des musikalischen Stonertums kennt und schätzt, der muß diesen Release unbedingt besitzen (wer nicht, sollte sich den natürlich ebenfalls zulegen), denn hier sind wir endgültig im Düsterland irrlichternder, kruder Science Fiction angelangt. Die fiebrigsten Visionen eines H.P. Lovecraft mögen als vage Richtschnur dienen in dieser Proto-Spielart eines eigentlich unmöglich unter einen Hut zu bringenden Doom/Black Metal/Stoner-Derivats, das sich mit zäher Urkraft wie schwarze Lava aus den Lautsprechern wälzt. Sicher einer der spannendsten Underground-Releases der letzten Jahre und ein unverzichtbares Werk in der Audiothek des geneigten Connaisseurs.


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Wo Wolvennest ihre schwarze Saat säen, ist das deutsche Projekt (DOLCH) natürlich nicht weit - viele Reviewer haben auf die Verwandtschaft der beiden Bands hingewiesen (auch ich wurde von einem kundigen Sammler darauf aufmerksam gemacht), beide befinden sich auch passenderweise am selben Label, Ván Records.

Wolvennest und (DOLCH) mögen Geschwister im Geiste sein, die “urzeitliche” Erfahrung ersterer Band weicht hier allerdings eher einem feinen Gespinst von Diversität. Das ist immens spannend - während man bei den von Ván Records neu aufgelegten Demos “I & II” noch Postpunkeinflüsse heraushört (respektive Shoegaze: mit dem weiblichen Gesang klingen (DOLCH) für mich manchmal wie die Cocteau Twins auf LSD), wandelt sich die Musik des Duos im Lauf der nächsten Releases (Split-Single mit King Dude, “III”) eher in eine rituelle Neofolk- Richtung. Man darf gespannt sein, was da noch kommen mag; nichtsdestotrotz ist “I & II” eine absolute Kaufempfehlung dieses Bloghosts hier.


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¹ Über die Musik der Wolves habe ich hier geschrieben.

Montag, 9. Juli 2018

Black Metal "R" Us.


Ewiggestrige, nationalistisch-rassistische Black-Metal-Puristen: Nehmt euch einen Strick für die nächste Eiche oder besser noch, stürzt euch von einem hohen Felsen ins eiskalte Meer. Denn eure kleine böse Welt, die ist nicht mehr die eure! Die gehört jetzt uns, den wohlmeinenden Hipster-Humanisten.

Wie konnte denn das passieren? Rekapitulieren wir kurz die Geschichte des Black Metal:
In den späten 80er-Jahren (nachzulesen in “Lords of Chaos”) entstand in Norwegen eine dunkle und unglaublich beseelte Musikrichtung, die aus der Verehrung damals schon kultiger Metal-Klassiker erwuchs und mit der Zugabe böser alter Volkssagen zu kalter Raserei, zu purem Hass, aber auch zum faszinierenden Bildersturm mutierte.


Nitzscheaner, Satanisten, Misanthropen aller Art, Verehrer von westlich-musikalischem Pathos und andere Dunkelgestalten wurden davon angezogen wie Motten von Licht und wurden binnen kürzester Zeit zu leidenschaftlichen Fans auf Lebenszeit.

Leider war diese Idee nicht nur faszinierend, sondern auch wurmstichig: Sie erlaubte es nämlich minderbemittelten Subjekten, ihre armseligsten Charakterschwächen auszuleben – das Resultat ist uns mit den Bildern von Morden und brennenden Kirchen noch in schrecklicher Erinnerung.


Irgendwann allerdings kamen findige Produzenten auf die Idee, den damaligen Mummenschanz in ein für die Populärkultur taugliches Paket zu verwandeln. Mit Dimmu Borgir landete schließlich die erste Black-Metal-Band auf der Titelseite diverser Jugendzeitschriften und auch in den Albencharts vieler europäischer Staaten.

Dimmu Borgir, Poster-Boys des BM.
Dem harten Kern war das nicht nur egal – sondern auch höchst willkommen: War es doch eine perfekte Gelegenheit, sich noch mehr zu verschwören und noch mehr Hass in den kleinhirnigen Fankreisen zu streuen. Das Schlimmste allerdings stand den “nordischen Kriegern” noch bevor: Black Metal wurde hip und verlor damit endgültig den Schrecken, den er dem Mainstream bis dato eingejagt hatte.

Von Anfang an zwischen allen Stühlen: Ulver (Photo von Ingrid Haas)
“Hipster-Black-Metal” ist für Musiknarren wie mich allerdings tatsächlich kein Schimpfwort. Dieses aus einer abfälligen Bezeichnung entstandene Subgenre ist eigentlich eine wunderbare Heilkur. Hochkarätige Bands abseits nationalistischer Kreise begannen, sich mit Black Metal zu beschäftigen. Sie machten mit spielerischer Kreativität dort weiter, wo Bands wie Emperor, Ulver und Mayhem (mit ihrem progressiven Release “Grand Declaration of War”) begonnen hatten, diese bis dato streng hermetische Stilrichtung für Experimente zu öffnen.

MYRKUR (Photo von Daria Endresen, www.myrkurmusic.com)
Das Thema spukt mir seit einigen Tagen deshalb im Kopf herum, weil ich in Kürze ein Konzert der grandiosen Wolves in the Throne Room besuchen werde. Neben Liturgy, Alcest, den Schweizern Schammasch sowie der verehrungswürdigen Amalie Bruun a.k.a Myrkur (die – wie sollte es anders sein – als Frau unfassbare Beschimpfungen der NSBM-Fans über sich ergehen lassen musste) sind die Wolves mit ihrem aktuellen Werk “Thrice Woven” die schönste Einladung, sich mit dieser sehr faszinierenden Stilrichtung auseinanderzusetzen. ¹



Die Nationalisten, Rassisten und Patrioten des Black Metal gibt es natürlich auch noch immer: Sie haben sich unter dem Banner des NSBM zusammengesammelt – genauer gesagt unter der Flagge von Varg Vikernes, der leider nach der Verbüßung seiner Haftstrafe für den Mord an seinem Freund Euronymus längst wieder seinen rassistischen Müll über soziale Netzwerke verbreiten darf. Aber sie sind bloß die traurigen Reste der einstigen “stolzen Heerscharen”. Mit der kreativen Kraft der Musik, die ihnen nun nicht mehr gehört, werden die Ewiggestrigen irgendwann entweder zertrampelt oder auf die “gute Seite” gezogen. Because: The light is always winning.


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¹ Wobei ich ja der wilden Kraft des ursprünglichen Black Metal überhaupt nicht abgeneigt bin – gerade Gorgoroth z.b. faszinieren mich sehr in all ihrer schillernden Bösartigkeit. Aber auch deren langjähriger Sänger Gaahl (neben Vikernes DIE Galionsfigur des hasserfüllten, traditionellen BM) entpuppte sich im Endeffekt wie Johnny Rotten von den Sex Pistols viele Jahre früher als unglaublich “untrue”. Gaahl beging außerdem die Kardinalsünde in diesen Kreisen überhaupt, indem er sich als homosexuell outete; dafür wurde er nicht nur geächtet, sondern auch mit dem Tode bedroht.

Gaahl: Früher Kinderschreck, heutzutage eine starke, geläuterte Persönlichkeit.

"Heavy Metal ist an sich ein sehr ungelenkes Genre. Es gibt viele Klischees und die Leute tun vieles, um diese zu beschützen." Ein spannendes Noisey-Interview von 2016 mit Nergal, Frontmann von Behemoth. > hier zum nachlesen.

Essential Hipster Black Metal: Die Metalstorm - Referenzliste.

Sonntag, 1. Juli 2018

Erlesene Musik.


Im elterlichen Haushalt meiner Kindheit gab es keine Jazzplatten; nur die nach streng deutschtümelnden Kriterien ausgewählte Klassikschallplatten-Sammlung meines verstorbenen Großvaters und eine kleine Selektion der damals populären Tonträger von Nana Mouskouri bis hin zu Reinhard Mey.

Aber: Es gab zwei Jazzbücher von Joachim-Ernst Behrendt und weil ich sowieso alles aus der Bibliothek meines Papas las (das Erlaubte und auch das Verbotene) fielen die mir irgendwann in die Hand – mein Vater muss wohl in seiner Jugend mal eine Phase gehabt haben, in der ihn Jazz interessierte.


So also studierte ich aus Neugier diese zerlesenen, vergilbten Taschenbücher, vor allem die aussagekräftigen Schwarz-Weiß-Fotos und versuchte mir auszumalen, wie “Jazz” denn so klingen würde. Dazu stellte ich mir vor, ich würde in einer Art “Loft” an einem grauen Regentag in ein Saxophon blasen. Interessant, wie sich ohne die geringste Ahnung dieses Genres trotzdem bereits ein erstes Klischee in meine juvenile Fantasie eingeschlichen hatte.

Später dann – ich besuchte die Musikhauptschule Ferdinandeum mitten in Graz – gab es in der Nähe des Schulgebäudes ein Geschäft namens “Hannibal”, an welchem ich mir so oft wie möglich die Nase an den Auslagen plattdrückte. Die dort ausgestellten Schallplatten und Bücher ließen meine Vorstellungswelt wild rotieren. Und ohne es zu wissen, war ich damit auch bereits Teil der ersten Retro-Welle; denn der “Hannibal” führte damals natürlich keinen aktuellen 80ies-Pop, sondern huldigte dem guten, alten “Rock” der 1960er- und 70er-Jahre.

Der legendäre Schriftzug hat überlebt! (Photo von www.hannibal-verlag.de)

Als ich mich dann endlich mal in das Geschäft hineintraute (und daraufhin zu einer Art Stammgast wurde) öffneten sich weitere, magische Tore – mit einem regelmäßig erscheinenden Katalog und einem Verkäufer, der mich aufgrund seines legendären Aussehens unglaublich beeindruckte.

Dieser damalige Hannibal-Mitarbeiter mit dem Spitznamen “Shugle” wird das vermutlich niemals erfahren, aber er hat meinen Musikgeschmack entscheidend geprägt. Trotz seiner eher grimmig erscheinenden Art und seines wilden Aussehens (lange Haare!) ließ er hin und wieder einen Tipp oder Hinweis fallen, den ich als Schulbub begierig aufsaugte.


Und der Katalog: ein kleines, dickes, in der billigen Art der Fanzines gedrucktes Elaborat, vollgestopft mit Plattenkritiken und kaum erkennbaren, winzigen Fotos der jeweiligen Releases. Dies wurde meine Bibel; diese kleinen, unregelmäßig erscheinenden Hefte wurden meine ständigen Begleiter. Sie befeuerten meine Fantasie mit blumigen Beschreibungen von höchst legendären Platten, die ich am liebsten alle besessen hätte, aber mir sowieso nicht leisten konnte mit meinem knapp bemessenen Taschengeld.

Die heftigste und intensivste Musik-Lese-Phase kam dann aber mit der Entdeckung der rororo-Taschenbuchreihe “Rock Session” – eine dieser Ausgaben entdeckte ich auf einem Ständer beim Ausgang eines meiner inzwischen ebenfalls regelmäßig frequentierten Buchgeschäfte. Meine Taschenbuch-Erwerbungen waren zu der Zeit ja eher billige Tie-ins damals populärer TV-Serien wie “Kampfstern Galactica” oder “Knight Rider”, obwohl ich mir damals auch schon meine erste Beatles-Biographie gekauft hatte (es sollten noch sehr viele folgen).

Erste selbstgekaufte Beatles-Biographie.
Diese “rororo Rocksession”- Bücher, die waren ein ganz anderes Kaliber – vollgestopft mit Artikeln zur musikalischen “Gegenkultur”, aber nicht nur zur amerikanischen, sondern auch zu der aus Deutschland. Krautrock? Ein neues faszinierendes Betätigungsfeld für meine Fantasie. Und wieder taten auch die entsprechenden Fotos ihren Teil: Aufnahmen früher Performances von sehr ernst dreinschauenden Herren mit randlosen Brillen, Bärten und sehr langen Haaren, die an riesigen Synthesizer-Türmen herumschraubten, wurden für mich sofort zum Synonym für “Science-Fiction-Musik”, wie ich sie mir selber erdacht hatte.

Tangerine Dream & Gear (Photo von www1.wdr.de)
Am schlimmsten aber war der Virus, der mich mit dem Thema “mysteriös aus dem Leben geschiedene Rockstars” infizierte – dieses guilty pleasure bringt mein Blut seit damals regelmäßig in Wallung und wird mich wohl bis zu meinem eigenen (hoffentlich nicht zu mysteriösen) Abgang aus dieser Welt begleiten.


Um “Fakten” ging es beim Thema Tote Rockstars nie – gerade die Rocksession-Bücher sind in heutigen Zeiten betrachtet eine wahre Katastrophe, was genaue Recherche betrifft. Es gab natürlich kein Internet, also verbreiteten sich eben urbane Legenden als einzige Information.

Der Sarg, der beim Begräbnis des Doors-Sängers Jim Morrison in Paris sichtbar zu kurz war, um dessen Leiche wirklich enthalten zu können. Jimi Hendrix, der nach einer Überdosis Schlaftabletten im Rettungswagen so lange (und scheinbar ziellos) herumgeführt wurde, bis alle Reanimationsversuche umsonst waren. Der angebliche Unfalltod Paul McCartneys in den 60ern, die Vertuschung dessen durch einen bezahlten Schauspieler, der McCartneys Platz einnahm und die bizarren Schuldeingeständnisse der restlichen Beatles via Botschaften auf den Covern ihrer Alben (Diese Death Clues beschäftigen mich aufgrund ihrer schillernden Absurdität ebenfalls noch immer ¹).

Joe Meek (Photo von www.independent.co.uk)
Und der Musikproduzent Joe Meek! Dieser außergewöhnliche Wahnsinnige, der gleichzeitig ein genialer Tüftler war (er erfand quasi im Alleingang bis heute essentielle Audio-Effekte wie Kompression und konstruierte primitive Hallgeräte), einen Riesenhit mit der Produktion von “Telstar” hatte und dann aber sofort in der Obskurität verschwand. Er wurde so paranoid, dass er nur mehr über kleine, vollgeschmierte Zettelchen kommunizierte (er war der festen Überzeugung, dass große Plattenstudios seine selbstgebauten Effektgeräte ausspionierten). Am Todestag seines über alles verehrten und durch einen Flugzeugabsturz aus dem Leben geschiedenen Idols Buddy Holly erschoss er sich – und seine Vermieterin gleich mit.


Ich schlief kaum noch, in der Nacht las ich unter der Bettdecke mit der Taschenlampe, mit einer Mischung aus unglaublicher Faszination und auch ein bisschen Angst vor diesem dunklen, ja letalen Universum, welches sich da aufgetan hatte.

Viele Jahrzehnte später haben mich diese frühen Aufreger irgendwie noch immer nicht verlassen – ich kenne inzwischen logischerweise jede Art von damals beschriebener Musik, habe unfassbar geniale Entdeckungen gemacht, muss aber gestehen, das ich noch immer sehr gerne von Musik lesen würde, die ich noch nicht kenne. Das aber ist nicht mehr so einfach möglich, weil man viel zu sehr mit der nächsten Retro-Welle beschäftigt ist (siehe oben) und weil… es nichts mehr Neues zu erfinden gibt? Das wäre definitiv mal ein Thema für einen Artikel hier.

Der Hannibal-Verlag, der hat mich noch viele Jahre weiter begleitet (als Buchverlag existiert er auch heute noch) - mit den besten deutschen Übersetzungen amerikanischer Musikliteratur, die man hierzulande lesen kann. Und auch solche Plattenkataloge kann man noch finden; zumindest bei einer genialen Kette von Musikshops, die es leider nur im guten alten Amerika gibt – dem AMOEBA MUSIC. Falls ihr jemals in San Francisco oder Los Angeles seid, unbedingt besuchen! Und nicht vergessen, den (kostenlosen) Katalog mitzunehmen.

Der Amoeba-Katalog (Leihgabe von Frau Dr. Nachtstrom)

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¹ Absolut empfehlenswerter Lesestoff: "The Walrus Was Paul: The Great Beatle Death Clues" von R. Gary Patterson!