Dienstag, 17. Juli 2018

The Sky is full of Waves: Interview mit Cadaverous Condition.


Cadaverous Condition gehören zusammen mit Pungent Stench, Disastrous Murmur und dem Disharmonic Orchestra zum “Kulterbe des österreichischen Death Metal”. Speziell Cadaverous Condition waren zwar seit den 1990er-Jahren für mich immer irgendwie präsent - da sie aber aus bewußter Entscheidung immer im Underground verblieben sind, habe ich deren Aktivitäten der letzten Jahre dann auch nicht mehr so wirklich mitbekommen.

Zum Glück hat sich das kürzlich radikal geändert, denn die gewollte Unabhängigkeit von irgendwelchen Marketingentscheidungen hat die Band anscheinend letztendlich auf Wege geführt, die einfach unglaublich sind. Und über das jüngst daraus entstandene Ergebnis, der Kollaboration “The Breath of a Bird” zusammen mit Herr Lounge Corps (Miro Snejdr von Death in June) muß hier unbedingt ausführlich berichtet werden - unter Mithilfe des CC-Sängers Wolfgang Weiss (Interview im Anschluss).


Denn was mir da kürzlich mit diesem Werk (erschienen auf dem renommierten Wiener Label Klanggalerie) in die Hände gefallen ist, das ist mir gleich darauf auch direkt ins Herz gegangen, hat sich seinen Weg in meine Vorstellungswelt gebahnt, und wird dort auch noch sehr, sehr lange verweilen.

Hin und wieder passiert das: da erscheint dieses eine Werk, dieser eine, einzigartige Release, der den Musikjournalisten in all seiner zynischen Überheblichkeit in die Weichteile trifft und den MUSIKFAN in ihm herausfordert - manche Werke besitzen so eine urtümliche Kraft.


The Breath of a Bird” ist ein ebensolches Werk. Alleine die Musik ist schon mehr als ungewöhnlich: Klassizistisch oder (besser noch) spätromantisch gefärbte Kompositionen, mit einem akustischen Klavier als Lead-Instrument, dessen perlende Läufe mit kleinen, impressionistischen Farbtupfern versehen sind - obwohl, diese Farbe ist auf jeden Fall allerdunkelstes Schwarz. Hin und wieder auch Gitarrenklänge, bewußt so fest gezupft, dass man eher an eine Laute denken mag; und hin und wieder dann auch eine brutale, laute, orchestrale Explosion, die sich im Moment ihrer grössten Intensität allerdings schon wieder in ihre verhallten Spiegelräume zurückzieht.

Es ist wahre Programmmusik im allerschönsten Sinn, eine tiefe Verneigung vor abendländischer Musiktradition im Stil von Mahler, Strauss, oder Mussorgski. Als Überschrift zum jeweiligen Track dient eine Zeile aus den Lyrics, die Wolfgang Weiss mit den von ihm gewohntenn Death Metal-Growls vorträgt.


Das ist insofern wiederum sehr ungewöhnlich, da diese ganz spezielle Art von Gesang oder Shouting normalerweise zwingend einen mit verzerrten Gitarrenspuren angefüllten Background verlangt, um ihre Wirkung voll entfalten zu können - zumindest glaubte ich das bisher, Weiss hat mich da eines Besseren belehrt. Der CC-Shouter benutzt die Technik zwar, füllt diese jedoch mit unglaublichen Nuancen, durch ein plötzlich geflüstertes Wort, einen Hauch von Gesang in der hinausgebrüllten Stimme. Das ist gänsehaut-erzeugendes, ganz grosses Gefühls-Kino und besteht auch im (fast) leeren Raum.

Auch der intellektuelle Genuss kommt nicht zu kurz, im Gegenteil. Da kommen einem Textzeilen unter wie “I reckon you agree / In this room there are more people than you can see” oder “We took a last quick look at the world as we had known it / And as it still seemed to be / And then it all came crashing down around us”. Selbst eine kurze Beschreibung wie “The Sky is full of Waves” entfaltet ihren tieferen Sinn mit der entsprechenden musikalischen Begleitung; ich gestehe offen und ehrlich, schon lange nicht mehr so mitgenommen worden zu sein von Songlyrics wie bei diesem wahrlich grandiosen Werk.


Ich habe Wolfgang Weiss gebeten, mir ein paar erklärende Sätze zu “The Breath of a Bird” zu schicken; hier das mit ihm geführte Interview.

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Herzlichen Dank erstmal, dass du dir die Zeit nimmst, meine Fragen zu beantworten. Wie weiter oben schon beschrieben, “The Breath of a Bird” ist meiner bescheidenen Meinung nach nichts weniger als ein absolutes Meisterwerk geworden; sowohl musikalisch und vor allem auch textlich kenne ich nichts vergleichbares. Kannst du für uns ein wenig den Entstehungprozess erläutern?

Danke fürs Interesse. Soweit ich mich erinnere, hat es damit angefangen, dass Miro und ich einfach mal was gemeinsam machen wollten, also dass er auf einem CC Song spielt oder ich bei einem geplanten Album von ihm mitmache. Daraus ergab sich dann der Song „The Gardens And Graves“ wo ich Text und Gesang zu seiner Musik beigesteuert habe, das Lied haben wir dann als spezielle 7“ Single veröffentlicht und da uns allen der Song gut gefallen hat, haben Miro, René (CC Gitarrist) und ich uns daran gemacht ein komplettes Album aufzunehmen und Songs zu schreiben. Es hat zwar sehr lange gedauert und war mitunter auch ein regelrechter Kraftakt, aber letztendlich sind wir mit dem Ergebnis sehr zufrieden, vor allem auch weil es so „anders“ geworden ist.

„Burn Brightly Alone“ (Cadaverous Condition Album von 2011) und jetzt “The Breath Of A Bird” sind zwei Alben mit denen ich wirklich zufrieden bin. Ich sehe diese als bleibende Ausrufezeichen einer doch recht langen und verschlungenen Karriere.


Ich weiß noch aus früheren Interviews (Anm. Im Rahmen der Sendung House of Pain/FM4, geführt vor vielen Jahren), dass diese oft beschworene “Freiheit der Kunst”, also die Freiheit, sich vollkommen unberührt von kommerziellen Erwägungen zu entwickeln, nicht nur Masche war bei euch, sondern tatsächlich sehr ernstgemeint. Hat dich das auf diesen speziellen Weg geführt, den du nun seit einigen Jahren beschreitest?

Naja, große kommerzielle Erwägungen sind bei unserer wirklich extremen Nischenmusik ja nicht wirklich sinnvoll oder realitätsnah. Selbst unsere Death Metal Alben sind wohl zu verschroben um den dortigen „Mainstream“ zu bedienen, der wiederum auch nur eine Nische ist. Dazu kommt noch unser unstetes Veröffentlichungsverhalten, nie bei einem wirklich patenten Metal-Label veröffentlicht zu haben (weil halt nicht kommerziell genug) und auch live waren wir kaum präsent, dazu hätte uns aufgrund persönlicher Dinge und Lebensläufe auch der letzte Biss und Antrieb gefehlt. Ich hätte nichts dagegen, wenn die Band bekannter wäre und mehr Alben verkaufen würde. Dass wir musikalisch allerdings ausschließlich nur das machen, was wir wollen und da niemand reinredet und reinreden soll/darf, war von Anfang an klar. Das hat allerdings ggf auch zu einigen nicht so guten Entscheidungen in unserer Karriere geführt.

Generell muss ich anmerken, dass selber Musik zu „machen“ mir viel weniger Spaß bringt, als Musik von anderen Menschen zu hören. Die eigene Musik war für mich immer mehr Schrei der Verzweiflung als Spaß an der Sache. Ganz offensichtlich ein Ventil um Aufmerksamkeit zu erregen und irgendwas aus dem Innersten heraufzubeschwören, herauszulassen und spazieren zu führen. Die Dämonen auszulüften. Also im Prinzip: „Ich spiele in einer Band um Mädchen zu beeindrucken“.

Wenn man zufrieden und eins mit der Welt ist, macht man keine solche Musik. Musik kann einerseits Leben retten aber andererseits manche Leben auch noch mehr verbiegen.


Wie hast du eigentlich diesen ganz aussergewöhnlichen Stil deiner Lyrics entwickelt? Gibt es dafür literarische Vorbilder? Und war für dich von vorneherein klar, dass du stimmlich beim “Growl” bleiben wirst?

Dass der Gesang im Death Metal Stil bleibt war vollkommen klar, das sind die typischen Cadaverous Condition Vocals. Anders geht das auch nicht und dadurch bekommt auch vermeintlich „schöne“ Musik nochmal einen eigenen Dreh, was absolut gewollt ist. Die Texte haben keinen bewussten Stil, das ist halt das, was raus muss.

“In this room there are more people than you can see” ist übrigens ein Satz, der bei mir immer wieder extreme Gänsehaut erzeugt - ein Satz, der mehr erzählt als ganze Bücher oder Filme. Was für Menschen sind das? Geister? Reisende aus anderen Dimensionen?

Das soll dem Hörer überlassen bleiben. Auch der Raum kann einfach nur der eigene Verstand bzw. die eigene Gedankenwelt sein. Wenn man sich darin aufhält, ist man oft nicht allein. Und nichts ist vorhersehbar. Geister trifft es also recht gut, denke ich. Und Geister/Personen/Erinnerungen, die versteckt sind, führen oft nichts Gutes im Schilde.


Auch “Just this one time let’s look outside the other window / A roof full of stars / The sky below / My weekly visit to the gates of heaven” ist mir ziemlich an die Nieren gegangen. Das beschreibt schon eine recht visionäre (psychedelische) Grenzerfahrung. “The Sky is full of Waves” wiederum ist so ein Satz, der zusammen mit den extrem darauf reagierenden Elektroniksounds von Miro Snejdr einen extrem mystischen Bedeutungsspielraum öffnet. Hast du eigentlich während des Schaffensprozesses irgendwelche “mystischen” Erfahrungen gemacht?

Viele Erfahrungen, aber keine mystischen, nur Realität und die Beschäftigung mit sich selbst und die Probleme damit umzugehen, was wieder neue Probleme auslöst.

Ich weiß, das Liveauftritte für dich eigentlich kein Thema mehr sind. Dabei gehörte in einer besseren Welt gerade so bewegende Musik unbedingt in einen entpsrechend würdigen Rahmen, zb. einen Konzertsaal. Habt ihr jemals an eine Live-Präsentation gedacht?

Nicht wirklich, es würde in der aktuellen Besetzung nicht funktionieren, ich sehe da auch kein großes Interesse seitens irgendwelcher Veranstalter. Es wäre zwar schön mit dem Material aufzutreten, aber ich glaube wir werden es nicht machen.

Ich danke dir herzlichst, das du dir die Zeit für diesen kleinen Austausch genommen hast. Und ich schliesse in der Hoffnung, das “Breath of a Bird” nicht die letzte Kollaboration mit Herrn Lounge Corps gewesen ist?

Danke für die netten Worte. In der Tat ist es sehr wahrscheinlich, dass diese Musik die letzte ist, die Du von mir und CC hören wirst.



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Photo von www.cadaverouscondition.com

"The Breath of a Bird" kann man hier beim Label Klanggalerie bestellen (Preis 17,- incl. worldwide shipping) oder auf Bandcamp kaufen:

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