Montag, 9. Juli 2018

Black Metal "R" Us.


Ewiggestrige, nationalistisch-rassistische Black-Metal-Puristen: Nehmt euch einen Strick für die nächste Eiche oder besser noch, stürzt euch von einem hohen Felsen ins eiskalte Meer. Denn eure kleine böse Welt, die ist nicht mehr die eure! Die gehört jetzt uns, den wohlmeinenden Hipster-Humanisten.

Wie konnte denn das passieren? Rekapitulieren wir kurz die Geschichte des Black Metal:
In den späten 80er-Jahren (nachzulesen in “Lords of Chaos”) entstand in Norwegen eine dunkle und unglaublich beseelte Musikrichtung, die aus der Verehrung damals schon kultiger Metal-Klassiker erwuchs und mit der Zugabe böser alter Volkssagen zu kalter Raserei, zu purem Hass, aber auch zum faszinierenden Bildersturm mutierte.


Nitzscheaner, Satanisten, Misanthropen aller Art, Verehrer von westlich-musikalischem Pathos und andere Dunkelgestalten wurden davon angezogen wie Motten von Licht und wurden binnen kürzester Zeit zu leidenschaftlichen Fans auf Lebenszeit.

Leider war diese Idee nicht nur faszinierend, sondern auch wurmstichig: Sie erlaubte es nämlich minderbemittelten Subjekten, ihre armseligsten Charakterschwächen auszuleben – das Resultat ist uns mit den Bildern von Morden und brennenden Kirchen noch in schrecklicher Erinnerung.


Irgendwann allerdings kamen findige Produzenten auf die Idee, den damaligen Mummenschanz in ein für die Populärkultur taugliches Paket zu verwandeln. Mit Dimmu Borgir landete schließlich die erste Black-Metal-Band auf der Titelseite diverser Jugendzeitschriften und auch in den Albencharts vieler europäischer Staaten.

Dimmu Borgir, Poster-Boys des BM.
Dem harten Kern war das nicht nur egal – sondern auch höchst willkommen: War es doch eine perfekte Gelegenheit, sich noch mehr zu verschwören und noch mehr Hass in den kleinhirnigen Fankreisen zu streuen. Das Schlimmste allerdings stand den “nordischen Kriegern” noch bevor: Black Metal wurde hip und verlor damit endgültig den Schrecken, den er dem Mainstream bis dato eingejagt hatte.

Von Anfang an zwischen allen Stühlen: Ulver (Photo von Ingrid Haas)
“Hipster-Black-Metal” ist für Musiknarren wie mich allerdings tatsächlich kein Schimpfwort. Dieses aus einer abfälligen Bezeichnung entstandene Subgenre ist eigentlich eine wunderbare Heilkur. Hochkarätige Bands abseits nationalistischer Kreise begannen, sich mit Black Metal zu beschäftigen. Sie machten mit spielerischer Kreativität dort weiter, wo Bands wie Emperor, Ulver und Mayhem (mit ihrem progressiven Release “Grand Declaration of War”) begonnen hatten, diese bis dato streng hermetische Stilrichtung für Experimente zu öffnen.

MYRKUR (Photo von Daria Endresen, www.myrkurmusic.com)
Das Thema spukt mir seit einigen Tagen deshalb im Kopf herum, weil ich in Kürze ein Konzert der grandiosen Wolves in the Throne Room besuchen werde. Neben Liturgy, Alcest, den Schweizern Schammasch sowie der verehrungswürdigen Amalie Bruun a.k.a Myrkur (die – wie sollte es anders sein – als Frau unfassbare Beschimpfungen der NSBM-Fans über sich ergehen lassen musste) sind die Wolves mit ihrem aktuellen Werk “Thrice Woven” die schönste Einladung, sich mit dieser sehr faszinierenden Stilrichtung auseinanderzusetzen. ¹



Die Nationalisten, Rassisten und Patrioten des Black Metal gibt es natürlich auch noch immer: Sie haben sich unter dem Banner des NSBM zusammengesammelt – genauer gesagt unter der Flagge von Varg Vikernes, der leider nach der Verbüßung seiner Haftstrafe für den Mord an seinem Freund Euronymus längst wieder seinen rassistischen Müll über soziale Netzwerke verbreiten darf. Aber sie sind bloß die traurigen Reste der einstigen “stolzen Heerscharen”. Mit der kreativen Kraft der Musik, die ihnen nun nicht mehr gehört, werden die Ewiggestrigen irgendwann entweder zertrampelt oder auf die “gute Seite” gezogen. Because: The light is always winning.


***

¹ Wobei ich ja der wilden Kraft des ursprünglichen Black Metal überhaupt nicht abgeneigt bin – gerade Gorgoroth z.b. faszinieren mich sehr in all ihrer schillernden Bösartigkeit. Aber auch deren langjähriger Sänger Gaahl (neben Vikernes DIE Galionsfigur des hasserfüllten, traditionellen BM) entpuppte sich im Endeffekt wie Johnny Rotten von den Sex Pistols viele Jahre früher als unglaublich “untrue”. Gaahl beging außerdem die Kardinalsünde in diesen Kreisen überhaupt, indem er sich als homosexuell outete; dafür wurde er nicht nur geächtet, sondern auch mit dem Tode bedroht.

Gaahl: Früher Kinderschreck, heutzutage eine starke, geläuterte Persönlichkeit.

"Heavy Metal ist an sich ein sehr ungelenkes Genre. Es gibt viele Klischees und die Leute tun vieles, um diese zu beschützen." Ein spannendes Noisey-Interview von 2016 mit Nergal, Frontmann von Behemoth. > hier zum nachlesen.

Essential Hipster Black Metal: Die Metalstorm - Referenzliste.

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