Donnerstag, 10. Mai 2018

Wo bist du, Bobby Brown?

Wenn die Gebrüder Grimm nicht im alten Deutschland vom Stechapfel-Tee bedröhnt auf das ganze Hexen- und Prinzessinen-Zeugs reingekippt wären, das ihnen die alten Mütterchen beim surrenden Spinnrad erzählten, sondern waschechte Stoner am Venice Beach CA; dann hätten sie vielleicht folgende Geschichte erfunden, die alle wunderbar nostalgischen Qualitäten eines Märchens hat, aber tatsächlich passiert ist.


Stell dir vor, du sitzt mit all diesen braungebrannten Surfer Dudes am Lagerfeuer am Strand. Die Sonne ist untergegangen, der Himmel ist violett und die Palmen haben diese großartige schwarze Patina (im Hintetgrund spielt jemand leise auf der Gitarre). Nachdem Schweigen eingekehrt ist und das Knacken der Holzscheite in Verbindung mit dem Rauschen der Wellen dich in entsprechende Stimmung versetzt hat, nimmt einer der älteren Surfer noch einmal einen tiefen Zug von einem fetten Bud und beginnt zu erzählen.



Es war einmal… in den frühen 1970er-Jahren, daß ein blonder Surfer Dude mit seinem alten, bunt bemalten VW-Bus an einem der vielen Sandstrände Südkaliforniens auftauchte. Auf den Bus geschnallt war natürlich sein schartiges Surfbrett, aber der Rest des klapprigen Gefährts war angestopft mit seltsamen Instrumentarium.

Aufschluß über diese Instrumente gab der blonde Mann im Jahr 1972 auf einem seiner (raren) Releases. In krakeliger Handschrift stand da auf der Rückseite der Platte: “About fifty homemade instruments designed to be as small as possible and placed on racks so as to be played from one spot(in a rotating, standing position) - styles of many countries were adapted - such as irish harp, koto, Drums, Thumb Piano, Flutes, Sitar and Dulcimer - there are 311 strings total - the key bass was adapted to be played by foot along with several other homemade foot instruments - the ability to make electric pick-ups from coils and computer parts was taught to me by Jon Lazell - Jon also allowed me to adapt some of his inventions & motivated me to invent some of my own - the result - ‘the Universal One Man Orchestra’, primitive, contemporary and futuristic.” ¹



Die Platte kostete 5 Dollar, enthielt den Hinweis “On Phonograph - adjust the treble up alot and the bass down a fair amoung (sic)” und noch viele andere schwer entzifferbare Botschaften. Heute ist sie ein gesuchtes Sammlerstück. Ihr Titel ist “The Enlightening Beam Of Axonda By Bobby Brown”, sie wurde 1972 aufgenommen und ja, der blonde Surfer hörte tatsächlich auf den Namen Bobby Brown.

Bobby Frank Brown, so (angeblich) sein voller Name, scheint in Sacramento geboren worden zu sein und war von den späten 1960er-Jahren bis noch in die 1980er auf diversen Stränden und Lokalen entlang der kalifornischen Westküste zu erleben. Das weiß man eher aus Überlieferungen von Leuten, die ihn damals erlebt haben, denn aus gesicherten Quellen - es scheint, als hätte der gute Mann schon damals in weiser Voraussicht diesen Namen gewählt. Versuch mal heutzutage, den auf Google zu finden! Wenn man statt dem unseligen Ehemann der verblichenen Whitney Houston wenigstens den Zappa’schen Bobby Brown findet, hat man schon Glück.


Heiliger Gral für Vinyl-Sammler: "The Enlightening Beam Of Axonda"
Dafür haben wir die Infos auf den paar wenigen Platten, die unser Bobby Brown aufgenommen hat. Vor allem auf “The Enlightening Beam Of Axonda”, welches so eine Art Science Fiction-Konzeptalbum darstellt: Ein Artikel auf Mutant Sounds beschreibt es so: “It's a concept album, relating the journey of a spiritual adept named Johnny from his pastoral Hawaiian home, across the globe and eventually into the cosmos. Johnny makes contact with the God-machine Axonda and its clear beam of consciousness light, which reveals to him the future of mankind — the reconciliation of all world religions and a merging into pure, perfected Godhead.

Brown's painstakingly scribed liner notes are [...] full of hilarious boasts about his explication of the fictional scientific concept of ‘the Bray’ — ‘an original contribution to the field of Religion & Science...not yet discovered by other humanoids’ that will one day ‘lead to the most significant change in the history of humanity (plus total religious unity).’" ²

Abgesehen von diesen doch recht originellen "Ankündigungen" ist es natürlich der Klang der selbstgebauten Instrumente (meist akustisch, obwohl hin und wieder auch ein primitiver Synthesizer und ein Theremin zu hören sind) der begeistert, und außerdem die vollkommen unvergleichliche Stimme. Die könnte man am besten als eine Mischung aus Don Van Vliet und dem rauchigen Vibrato eines Tim Buckley beschreiben; das muß man natürlich mögen, zumindest ist es eine Art von Gesang, die man heute definitiv so nicht mehr hört.


Das war es übrigens auch schon wieder mit als "gesichert geltenden autobiographischen Daten" zu Bobby Brown - eine handvoll Platten hat er aufgenommen, unzählige Konzerte gespielt und ist dann quasi wieder vom Radar verschwunden. Diverse Foren im Netz allerdings sind randvoll mit Erzählungen davon, wie er plötzlich da und dort aufgetaucht ist. Anscheinend hat er eine Zeit in Hawaii gelebt, aber auch dort scheint es den Nomaden nicht lange gehalten zu haben.

Auf dem bereits erwähnten Blog Mutant Sounds tauchte mitten in einer Diskussion um den aktuellen Verbleib des enigmatischen Künstlers im Februar 2012 plötzlich eine hochinteressante Message auf, die von Brown selber stammen könnte, erinnert sie in ihrer Schreibweise doch sehr an die Ramblings auf den Rückseiten seiner Platten.

Anonymous said…”Thanks for the wonderful comments posted here I just cried from reading one. Many stories to tell I've been traveling the world continued to perform an rebuild my instruments. I'm happy to report many of my predictions in particle physics have come true or at least possibly played a part in the evolution of string theory an much more. But I've went way beyond that an am anxious to share that. The label Drag City is distributing my Axonda an Prayers of a one man band album an. Cd very soon. An projects I've been workin on will gradually come out Someone may mention to the original writer of this blog to look an see how Many of the breakthrus in particle physics that I predicted have indeed come thru. An that words like psychological burn out an charlatan an crank scientist have hurt me an are not true. He is forgiven for the fruit of the commenters has yes made me cry.” 

¹ zitiert aus dem Eintrag bei Discogs.

² zitiert aus http://mutant-sounds.blogspot.co.at/2007/01/bobby-brown-1972-enlightening-beam-of.html

Ein interessantes Sammlerstück gibt es hier, samt angeblich authentischem Schriftverkehr mit dem Mann selbst, Bildern einer eigens kuratierten Ausstellung und ein paar Coverversionen. Allerdings streng limitiert und nur auf Audiokassette.

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