Sonntag, 6. Mai 2018

Im Kaninchenbau mit Legowelt II: Hits and High Strangeness.


Wie schon angedroht, schlüpfen wir nun endgültig in den Kaninchenbau hinein, um die komplexe Welt des Künstlers Danny Wolfers aka Legowelt weiter zu erforschen. Für Unkundige: hier gibt es Teil 1 der Artikelserie.

Beginnen wir mit dem Release, auf den sich alle einigen können: Crystal Cult 2080, im März 2014 erschienen, gilt als Meisterwerk. Wer sich mit dem Phänomen, dem Spektrum LEGOWELT beschäftigen will: hier werden so ziemlich alle Facetten präsentiert, und sie schimmern in unglaublich schönen Farben.

"Experimental Awakening", der Opener des grandiosen Werkes, macht bereits in den ersten Sekunden alles klar: Die schwirrenden Glöckchen sind der Auftakt zu den von Danny Wolfers über die Jahre im Studio entwickelten Markenzeichen. Da hören wir das gepitchte und heavy prozessierte Sprachsample und den hynotischen Elektrobeat, alle hohen Frequenzen abgedreht - es bleibt nur ein verhuschter Fetzen übrig, die Bassdrum aber knallt auch so, mit viel Kellerhall. Die mischt Legowelt aber bereits nach wenigen Sekunden mit fetzigen Cymbals, die direkt von einer zerkratzen Chicago House-Platte runtergerippt sein könnten.

Während wir also bereits von diesem Klangbild hypnotisiert werden, sollten wir uns vergegenwärtigen, daß Wolfers keine Samples verwendet, sondern - der Releasetitel gibt schon den Hinweis - hat sich (typisch für ihn) mit einem Synthesizer beschäftigt, den man heute gemeinhin als "uncool" bezeichnen würde. Der Roland JV-2080, ein Expansion-Module des Roland JV-1080, erschien 1997 und befand sich damals im Gerätepark von Künstlern wie Mike Oldfield oder auch Thomas Dolby, ohne dabei eine wahnsinnig prominente Rolle einzunehmen.

Hässlich und uncool: Das Roland JV-2080 Expansion-Module aus 1997

Obwohl später sogar Drum and Bass-Grössen wie LTJ Bukem oder Photek den JV-2080 benutzt haben, war das nicht signifikant genug, um die hässliche Kiste wieder aus dem Museum für nicht mehr angesagte Musiktechnologie herauszubekommen.

Ich kann mir das so richtig vorstellen, wie Wolfers den JV-2080 auf einem Flohmarkt entdeckt hat, ihn billig oder geschenkt von einem Kollegen bekam, ihn in jedem Fall in sein Studio geschleppt hat und es nicht erwarten konnte, ihn zum Leben zu erwecken. Und ihn gründlichst zu examinieren: Herr Legowelt is ja ein Musterbeispiel des Gearlovers, der Musik-Hardware auch wirklich verwendet (nicht ganz im Sinne des Erzeugers natürlich) und sich nicht einfach die Factory-Sounds von irgendwelchen Sample-CD's zieht (wie Mouse on Mars das mal in ihrem Buch "Vorgemischte Welt" so bitterlich beklagt haben).

Synth-Liebhaber und Bilderstürmer: Danny Wolfers (bild von levfestival.com)

Was aber Wolfers mit jeder erworbenen und in Releases benutzter Musik-Hardware betreibt, ist purer Ikonoklasmus: Durch die Zugabe diverser Filter, Anwendung von kluger Addition oder Subtraktion und radikalem Pitch oder Timestretch erfindet und definiert er quasi jedes erworbene Instrument samt Signature-Sounds neu. Das aber natürlich nicht für kommende Generationen, sondern um sich einen weiteren Apologeten seiner höchstpersönlichen Musik-Philosophie heranzuziehen. Und deren Motto lautet bei jedem seiner Releases: Hits und High Strangeness.

Währenddessen der geneigte Hörer sich nämlich von den okkulten Anspielungen in den Titeln und dem zugleich mystischen und trashigem Coverbild in diese ganz besondere, magische Legowelt-Stimmung bringen lässt, stampft Crystal Cult 2080 unbeirrbar wie ein Disco-Dampfschiff im ärgsten Arpeggio-Nebel. Wer das hört, verliebt sich sofort in Legowelt. Unsterblich!



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