Montag, 25. Juni 2018

Cosmic Jazz, Fourth World & Melancholic Darkness.

Kamasi Wahington: Heaven and Earth / Young Turks, 06/18

Ein Loblied auf Kamasi Wahington zu singen, ist wie Eulen nach Athen zu tragen. Ist der sanfte Riese doch seit seinem Sensationsdebüt “The Epic” im Jahr 2015 sowas wie der Schutzheilige aller Stoner, die ihren Jazz frisch ausgelüftet und mit viel cooler Black Sexiness ausgestattet mögen. Wenn man auf dem Brainfeeder-Label des genialen Flying Lotus releast wird, kann man da sowieso nicht viel falsch machem, sorgt der Enkel der grossen Alice Coltrane doch seit vielen Jahren samt dem um ihm versammelten Kollektiv höchst talentierter Musiker in Los Angeles und anderswo für eine ständige Frischzellenkur - Hipness, Afro-Futurism galore & Geek-Wahnsinn inklusive. Und der Geist von Auntie Alice durchweht auch Kamasis neuen Release (wie schon die vorjährige EP “Harmony of Difference” auf Young Turks erschienen) wie betörendes Parüm. Das erzählt von dem erstarkenden Selbstbewußtsein afroamerikanischer Menschen gerade in Zeiten unglaublicher Repression seitens des weissen US-Establishments und vom Weltfrieden, dieser oftmals verlachte und doch so stark herbeigesehnte Begriff. In den 1970er-Jahren hat man, wenn man so grosse Friedens-Sehnsucht hatte, eine Impulse!-Scheibe aufgelegt. Heutzutage sagt Kamasi, bevor er loslegt, so Sachen wie “This is called 'A Space Travellers Lullabye'. I wrote it for all the Space Cadets and Daydreamers” und man möchte nichts anderes mehr hören als diese in alle Richtungen ausufernde, wahrhaft kosmische Musik.


Jon Hassell: Listening to Pictures (Pentimento Volume One) / Ndeya, 06/18

Jon Hassell ist vermutlich einer der Musiker und Komponisten, der mir neben Boards of Canada und Meat Beat Manifesto bis jetzt die allerglücklichsten kosmischen Abfahrten beschert hat. Ich nenne Hassell bewußt nicht im Jazz-Kontext, den da gehörte er für mich auch niemals hin. Aber in welches Genre eigentlich? Ich glaube, er hat die wunderbare musikalische Nische, die er besetzt, ganz aus sich selbst heraus erschaffen. Das beginnt schon bei seiner instrumentalen Hauptstimme, der Trompete. Mit normalem Jazzidiom hat diese nichts zu tun, hat Hassell doch Gesang bei dem indischen Lehrer Pandit Pran Nath studiert, und dies zur Basis seines absolut einzigartigen Spiels gemacht. Aber die Trompete ist sowieso nur das Zündobjekt dieses immer wieder in allen Regenbogenfarben explodierenden Soundbilds, das ein bisschen an “Weltmusik” erinnert, aber eben wirklich nur ein bisschen. Diese polyrhythmisch fliessenden, glitzernden Soundscapes machen absolut süchtig, so wie auf all seinen Releases zuvor. Jon Hassell ist mit seinen 81 Jahren nachwievor auf der absoluten Höhe seines Schaffens. Und ein neues Label, Ndeya, für seine zukünftigen Releases hat er auch gerade gegründet.



Herr Lounge Corps & Cadaverous Condition: The Breath of a Bird / Klanggalerie, 04/18

Cadaverous Condition sind so ein Phänomen: Früher eine der rumpelig-verwitterten Institutionen des klassischen Death Metals österreichischer Prägung (think Pungent Stench, Disastrous Murmur, Disharmonic Orchestra) hat sich die Band (oder ein paar der Mitglieder, so genau lässt sich das für mich nicht nachvollziehen) inzwischen musikalisch in Richtungen entwickelt, die einem nur allerhöchsten Respekt abnötigen können. Seit einigen Jahren existiert hier zum Beispiel eine unfassbar gute Kollaboration von Cadaverous Condition mit Herr Lounge Corps. Dahinter verbirgt sich der Death in June-Kollaborator Miro Snejdr; und was diese fruchtvolle Zusammenarbeit hervorbringt, hat mich gerade beim neuen Release “The Breath of a Bird” wirklich sprachlos gemacht. Spätromantisch-elegante Klavierarpeggios und wehmütige Akkordeontöne treffen auf die gänsehaut-erzeugende Stimme des CC-Growlers Wolfgang Weiss - an den für mich als Genreschublade etwas fragwürdigen, weil unscharfen Begriff “Neofolk” (der für CC auch eine Rolle gespielt hat in der jüngeren Vergangenheit), erinnert irgendwie nur noch sehr wenig bis gar nichts mehr. Diese Musik gehört für mich eindeutig in die ehrwürdigsten Konzertsäle dieser Welt! Ein grandios melancholisch-tiefschwarzes Meisterwerk, welches man, einmal gehört, nie mehr vergessen wird. PS: Auf der CD befindet sich auch ein fantastischer Remix des US-Kultproduzenten GosT. Kann, soll und muß man auf Klanggalerie bestellen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen