Dienstag, 12. Juni 2018

Der traurige Geist von Fleetwood Mac.


In der Geschichte des Rock gab es das immer wieder: Geniale Musiker, irgendwann so plemplem, daß sie untragbar wurden und aus den Bands, deren Stars sie waren oder die sie teilweise sogar gegründet hatten, entfernt werden mussten. Syd Barrett zum Beispiel, der exzentrische und visionäre Pink Floyd-Gitarrist, wurde von seinen Bandkollegen nicht mehr zu den gemeinsamen Konzerten abgeholt, nachdem LSD ihn zu einem lebenden Zombie gemacht hatte (David Gilmour war da schon heimlich als Ersatz engagiert worden).

Syd Barrett (1946-2006)
Oder Brian Jones, arroganter und schillernder Sixties-Paradiesvogel und Gründer der Rolling Stones: 1969 besuchten Jagger und Richards ihn in seinem Landhaus und verkündeten ihm seinen Rausschmiß (wenig später fand man Jones ertrunken in seinem Swimmingpool).

Brian Jones (1942-1969)
Alexander "Skip" Spence, ein besonders tragisches Beispiel: Der geniale Moby Grape-Gitarrist, der außerdem als Schlagzeuger bei den damaligen Superstars Jefferson Airplane eingestiegen war, ging mit einer Feueraxt auf seine Kollegen los und verbrachte den Rest seines kümmerlichen Lebens wahlweise in Heimen für psychisch Kranke und auf der Straße. Zwischendurch stieg er der Legende nach auf sein Motorrad und fuhr im Anstaltspyjama nach Nashville, um sein einziges Soloalbum “Oar” aufzunehmen (quasi der heilige Gral für Vinylsammler). ¹

Alexander "Skip" Spence (1946-1999)
Oder Richey Edwards, Gitarrist und signifikanter Ideengeber der Manic Street Preachers, der eines Tages im Februar 1995 spurlos in London verschwand - zu jener Zeit war er für die Band aufgrund seiner Depressionen und Self-Harm-Tendenzen bereits untragbar geworden. Im Jahr 2008 wurde er zwar offiziell endgültig für tot erklärt, erst im Februar dieses Jahres hat seine Familie allerdings wieder einmal eine Untersuchung der Umstände gefordert, unter denen Edwards verschwunden ist.

Richey Edwards (1967-1995?)
Vor wenigen Tagen las ich vom Tod Danny Kirwans. Den werden vermutlich nur die wahren Pop-Nerds unter euch kennen - Kirwan war ein paar Jahre lang enorm einflussreich bei Fleetwood Mac, als Gitarrist und nach dem Wegfall von (zunehmend dem Wahnsinn verfallenen) Peter Green auch als einer der Hauptsongwriter, bis er 1972 ebenfalls wegen seines Alkoholismus und enormer psychischer Probleme gefeuert wurde.

Danny Kirwan (1950-2018)
Das hat Kirwan nicht verkraftet. Nach drei erfolglosen (und kreativ uninteressanten) Solo-Alben verschwand er in der Versenkung und begann seinen unaufhaltsamen sozialen wie gesundheitlichen Abstieg. Jahre später war er, wenn sein Name mal irgendwo in einem Artikel in der Presse auftauchte, the “sad, beautiful ghost of Fleetwood Mac”. ² Inzwischen obdachlos geworden, war es schwierig, ihn aufzufinden; zeitweise soll er auch nichts mehr über sein Mitwirken in einer der legendärsten Pop-Bands der damaligen Zeit gewusst haben. Die letzten Jahre verbrachte er wohl abwechselnd in verschiedenen Pflegeheimen.



Wenn Mick Fleetwood (anderes Urmitglied von Mac, mit erstaunlich wenigen psychischen Problemen) nun Danny Kirwan anlässlich seines Todes in einem Facebook-Posting als “leading force of Fleetwood Mac³ abfeiert, ist das natürlich mehr als bizarr, da sich viele Jahrzehnte offensichtlich niemand seiner ehemaligen Mitstreiter besonders um den vergessenen Gitarristen scherte; die Aussage hat aber davon abgesehen ihre absolute Berechtigung.



Denn Kirwan war keiner der damals üblicherweise über den Blues zum Rock gekommenen Gitarristen, er war eher an Folk und den dort verwendeten Open Tunings interessiert. Das verlieh seinem Sound eine ätherische, unwirkliche Qualität. Und die von ihm komponierten Songs besitzen auch jene ganz besonders britisch-magischen Zutaten, die Hörer in Scharen zu der Musik seines (weitaus prominenteren) Zeitgenossen Nick Drake hingetrieben haben.



Danny Kirwan, eine weitere der vielen “Casualities”, die Fleetwood Mac neben ihrer Musik auch immer irgendwie auszeichnen (die Anzahl der ehemaligen Bandmitglieder mit psychischen Problemen ist Legende, bis hin zum tragischen Selbstmord von Bob Welch im Jahr 2012). Als Bindeglied zwischen den klassischen Mac und der unschlagbaren Hitmaschine, als welche die Band später bekannt war, hatte er eine wichtige, wenn auch undankbare Funktion.

Es bleibt zu hoffen, daß die beiden extrem vergriffenen Fleetwood Mac-Releases “Bare Trees” und “Future Times” aus den frühen 1970er-Jahren neu aufgelegt werden, bei denen Kirwan federführend war. Im Zuge dessen gäbe es auch sicher noch den einen oder anderen unveröffentlichten Schatz aus den Archiven zu heben.

***

¹ https://en.wikipedia.org/wiki/Oar_(album)

² zitiert aus: http://observer.com/2015/11/for-your-reconsideration-danny-kirwan-the-sad-beautiful-ghost-of-fleetwood-mac/

³ https://www.facebook.com/pg/realmickfleetwood/posts/

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