Nikolai Borisovich Obukhov (1892-1954), ein 1918 aus Russland vor den politischen Säuberungen nach Frankreich geflohener Komponist, hat genau das getan: sein Hauptwerk "Kniga Zhizni" ("Das Buch des Lebens") zu erheblichen Teilen mit seinem eigenen Blut geschrieben.
Seine Inspiration hatte Obukhov aus den herrlich exzentrischen Spätwerken Alexander Scriabins bezogen – in Frankreich wurde er von Maurice Ravel gefördert, Arthur Honegger zählte zu seinen Bewunderern. Obukhov war ein äußerst kreativer Geist, er erfand ein neues Notationssystem, ersann eine Kompositionsmethode, die Teile von Arnold Schönbergs Zwölftontechnik vorwegnahm, und beschäftigte sich mit der Konzeption elektronischer Instrumente für den Einsatz in seinen Werken.
Eines davon wurde tatsächlich gebaut – es war dem Theremin, das der Erfinder und Spion Lew Thermen um diese Zeit herum konstruierte, ähnlich, bloß hatte es die Form eines Kreuzes. Das war deswegen wichtig, weil es natürlich nicht nur ein Instrument mit neuer Klangfarbe sein sollte, sondern auch ein sichtbares Symbol des Mystizismus, mit dem sich Obukhov vermutlich ebenfalls bei Scriabin angesteckt hatte.
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1934: Das "Croix Sonore" in Aktion. |
Obukhov lebte, schwerst gezeichnet, noch fünf Jahre; die verbliebenen Teile des "Kniga Zhizni" befinden sich in der Bibliothèque Nationale in Paris und werden sporadisch aufgeführt. Zwar nicht im Sinne des Komponisten (der eigentlich vorgesehen hatte, dass das "Buch des Lebens" in einer eigens dafür gebauten Kathedrale in einer 24-stündigen Aufführung jeweils jährlich zur Wiederauferstehung Christi "enthüllt" werden sollte), aber immerhin bekommen wir musikhungrigen Klassik-Geeks einen ungefähren Eindruck von der ursprünglichen Vision.
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