Dienstag, 24. April 2018

Mit Herzblut komponiert.

Der Duden erklärt die Bedeutung des Wortes "Herzblut" mit "sich ganz für jemanden, etwas einsetzen, aufopfern"; gerade im kreativen Bereich verwenden wir den Begriff gerne für die uns bedeutsamen und besonders wertvollen Projekte. Da fragt sich euer Bloghost natürlich zwangsweise: Hat denn wirklich schon mal jemand tatsächlich sein Blut in ein Projekt eingebracht?

Nikolai Borisovich Obukhov (1892-1954), ein 1918 aus Russland vor den politischen Säuberungen nach Frankreich geflohener Komponist, hat genau das getan: sein Hauptwerk "Kniga Zhizni" ("Das Buch des Lebens") zu erheblichen Teilen mit seinem eigenen Blut geschrieben.

Seine Inspiration hatte Obukhov aus den herrlich exzentrischen Spätwerken Alexander Scriabins bezogen in Frankreich wurde er von Maurice Ravel gefördert, Arthur Honegger zählte zu seinen Bewunderern. Obukhov war ein äußerst kreativer Geist, er erfand ein neues Notationssystem, ersann eine Kompositionsmethode, die Teile von Arnold Schönbergs Zwölftontechnik vorwegnahm, und beschäftigte sich mit der Konzeption elektronischer Instrumente für den Einsatz in seinen Werken.

Eines davon wurde tatsächlich gebaut es war dem Theremin, das der Erfinder und Spion Lew Thermen um diese Zeit herum konstruierte, ähnlich, bloß hatte es die Form eines Kreuzes. Das war deswegen wichtig, weil es natürlich nicht nur ein Instrument mit neuer Klangfarbe sein sollte, sondern auch ein sichtbares Symbol des Mystizismus, mit dem sich Obukhov vermutlich ebenfalls bei Scriabin angesteckt hatte.

1934: Das "Croix Sonore" in Aktion.

Das "Buch des Lebens", wie schon erwähnt, teilweise mit dem eigenen Blut des Komponisten verfasst, hatte übrigens kein glückliches Schicksal: Von seiner Obsession damit rasend gemacht, hatte es seine junge Frau einmal in kleine Stücke zerissen (Obukhov soll es unter Zuhilfenahme diverser Körperflüssigkeiten akribisch wieder zusammengefügt haben); 1949 wurde der als Maurer arbeitende Komponist schließlich Opfer eines brutalen Raubüberfalls, dem nicht nur seine fragile Gesundheit, sondern auch ein großer Teil seines Lebenswerkes zum Opfer fielen.

Obukhov lebte, schwerst gezeichnet, noch fünf Jahre; die verbliebenen Teile des "Kniga Zhizni" befinden sich in der Bibliothèque Nationale in Paris und werden sporadisch aufgeführt. Zwar nicht im Sinne des Komponisten (der eigentlich vorgesehen hatte, dass das "Buch des Lebens" in einer eigens dafür gebauten Kathedrale in einer 24-stündigen Aufführung jeweils jährlich zur Wiederauferstehung Christi "enthüllt" werden sollte), aber immerhin bekommen wir musikhungrigen Klassik-Geeks einen ungefähren Eindruck von der ursprünglichen Vision.

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