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Mittwoch, 13. Juni 2018

Ladies and DJENTlemen.


Schöpfungsgeschichte eines Mikrogenres: Am Anfang war eine gewisse Band. Dann war da ein Stil und ein Slogan. Die Band hieß Meshuggah, kam aus Schweden und unterschied sich vom damals gängigen Schwedendeath durch extrem ausgefeilte und komplexe Rhythmus-Arrangements, die eher von afrikanischer Polyrhthmik oder vom Jazz inspiriert waren. Vor allem das Riffing von Gitarrist Fredrik Thordendal war stilprägend: seine extrem angezerrten Powerchords, kurz und hart angerissen und sofort wieder mit dem Handballen abgestoppt, entwickelten sich zu einem absoluten Markenzeichen.

Photo von meshuggah.net
Das Gesamtkunstwerk Meshuggah könnte man salopp mit einem Slogan zusammenfassen: Odd Time Signatures. Taktwechsel, Synkopierung, Stakkato und Polyrhythmik - Science Fiction-Musik von verrückten Wissenschaftlern, die sich mit Dreieck und Zirkel darangemacht hatten, bis dato unerforschtes Sound-Territorium zu erschließen. So entstand nicht nur der sogenannte "Math-Rock", sondern innerhalb dessen auch DJENT, das eingangs erwähnte Mikrogenre, dessen Name pure Onomatopoesie ist. Ein Witzbold namens “King Nothing III” hat sich beim entsprechenden Eintrag im Urban Dictionary die Mühe gemacht, das lautmalerisch zu veranschaulichen:

"Djent D-Djent D-D-D-jent D-D-jent D-D-D Djent Djent D-D-D-jent Duh Djent D-Djent D-D-D Djent D D-D-jent D-D-D Djent Djent D-D-D-jent Duh DJENT D-jent D-D-D Djent D D DJENT D-D-D DJENT DJENT D-D-D-JENT DUH DJENT (usw. usf.)" ¹

Und auch wenn das jetzt auch eher nach einem Gedicht des legendären Ernst Jandl klingt, erschließt es sich vielleicht mit dem passenden DJENT-Song.


DJENT -  ein Mikrogenre, von nerdigen Bedroom-Producern erdacht, die mittels Line 6 Pocket Pod und Drumcomputer ihrem Vorbild Thordendal nacheifern? Sicher ist DJENT auch das, aber natürlich nicht nur. Dieses Geruckle und Gezuckle dient schon seit vielen Jahren als Basis für ziemlich spacige Musik, deren Protagonisten sich irgendwo zwischen Progressive, Math-Rock bzw. Mathcore und Technical Death-Metal bewegen. Und was kommt dabei heraus? Jazz, aber in so dermassen abgefahrener Art und Weise, daß puristische Jazz-Fans sowieso sofort einen Drehschwindel bekommen würden.


Damals, in den 1990er-Jahren (oh, das güldene Metal-Jahrzehnt!) war ich ein Die Hard-Fan der niederländischen Band Pestilence. Was sich nämlich 1991 auf deren Release “Testimony of the Ancients” ankündigte, um dann auf dem mega-erfolglosen Album “Spheres” zur Vollendung zu gelangen (auch zum tatsächlichen Ende: die Band löste sich kurz darauf für viele Jahre auf) war für mich nichts weniger als Heavy Metal Jazz, mit sperrigen Songs, abgefahrenen Solos, ultra-komplexen Rhythmen und textlicher Poesie weitab der Gore-Klischees, in denen sich vor allem der Death Metal jener Zeit erschöpfte.


Auch wenn Pestilence nach ihrer Reunion im Jahr 2009 zwar zu einstiger Härte, aber niemals wieder zu einstiger Genialität zurückgefunden haben, ist das absolut zu verschmerzen. Denn war diese Band in den Nineties vielleicht auch über das uns bekannte Sound-Universum hinaugewachsen, sind Progressive- und DJENT-Bands wie TesseracT, The Contortionist oder Animals as Leaders (um nur ein paar wenige zu nennen) seitdem noch viel weiter hinausgegangen und haben jede Menge bis dato unsichtbarer Dimensionen erforscht und zugänglich gemacht. Die Generation danach wiederum erforscht vielleicht schon das musikalische Äquivalent der Dunklen Materie. Es hört niemals auf.



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¹ zitiert von https://www.urbandictionary.com/define.php?term=Djent
Hier gibt es auch eine viel ausführlicherer und technische Definition des Genres und einige DJENT-Witze zu finden (echt!)